Ein Kommentar von Mark Hübner-Weinhold

Kweku Adoboli ist kein Schurke. Der 31 Jahre alte Diplomatensohn hat sich nur verzockt. Er hatte nicht genehmigte Transaktionen an der Londoner Börse durchgeführt und seinem Arbeitgeber UBS Verluste von 1,7 Milliarden Euro beschert.

Kweku Adoboli hat Fehler gemacht. Aber es ist das System, das ihn gemacht hat. Per Mausklick verschieben Bankmanager Milliarden und treiben so Menschen, Unternehmen, Branchen, ja ganze Volkswirtschaften in den Ruin. Den Gewinn streichen sie in Form von absurd hohen Gehältern und Boni ein, die Verluste werden sozialisiert.

Das ganze Szenario, eine Art globales Monopoly mit lebenden Spielfiguren, scheint sich am Ethos von Gordon Gekko zu orientieren. Erinnern Sie sich noch? Gekko (Michael Douglas) war der Protagonist im Film "Wall Street". Sein Mantra lautete: "Gier ist gut!" Ich habe Gekko im Kino belächelt. Mit qualmender Havanna, markigen Sprüchen wie "Lunch ist für Verlierer" und breiten Hosenträgern über dem blauen Hemd von Hollywood total überzogen inszeniert.

So naiv dachte ich 1987, nicht ahnend, dass die Wirklichkeit wenige Jahre später voller Gekkos sein würde. Dass der Finanzjongleur sein Geld durch illegale Insiderinformationen, Aktienschwindel und Betrug erlangte und am Ende des Films im Gefängnis landete, war den Leuten egal. Gordon Gekko wurde Kult. Tausende junger Börsenmakler eiferten ihm nach.

Kweku Adoboli ist nur einer von ihnen. Ein junger Mann, der bei angeblich 350 000 Euro Jahresgehalt jedes Maß verlor. Den niemand das rechte Maß lehrte. Den offenbar niemand kontrollierte. Trotz Bankenkrise zocken die Broker in New York, London, Frankfurt munter weiter. Sie sind die Kreaturen eines Systems, dessen Treibstoff die Gier ist.

Bonigetriebenes Management ohne persönliche Haftung drängt die Akteure in kaum kontrollierbaren Märkten zu maximalem Risiko. Das Machbare bescheiden, korrekt und glanzlos abzuarbeiten, bleibt der Masse von Bankkaufleuten in den Filialen und Verwaltungen überlassen. Viele zahlen mit ihrem Job für die Hybris der Chefetagen und das Versagen der Politik. Das ist die Tragik der Branche.