Die Sternwarte könnte von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt werden

Ohne den Hafen besäße Hamburg wohl keine Sternwarte. Für Forschung und Lehre hatten Senat und Bürgerschaft im 19. Jahrhundert nicht viel übrig. Doch bei der Sternwarte machten sie eine Ausnahme, weil sie der Schifffahrt eine präzise Uhrzeitbestimmung lieferte. Ohne die hätte man nicht navigieren können, denn nur mit einem genau gestellten Chronometer konnte man den Längengrad exakt bestimmen. Über Hamburg war der Himmel grau und hell geworden. Grau, weil die vielen Dampfschiffe und die Industrieschornsteine der Neustadt den Himmel vernebelten. Hell, weil die Straßen nachts durch Gaslaternen beleuchtet wurden. Das Sternenbild konnte man unter diesen Umständen nicht mehr beobachten. Auf die Sternwarte wollte die Stadt nicht verzichten. Künftig wurde der Zeitball auf dem Kaiserspeicher, der täglich die Zwölf-Uhr-Greenwich-Zeit anzeigte, automatisch von Bergedorf aus gesteuert.

Der Umzug fiel in eine für die Forschung interessante Zeit. Damals gab es sowohl Linsen- als auch die neu entwickelten Spiegelteleskope. "Wäre der Umzug fünf Jahre früher erfolgt, hätten wir kein Spiegel-, fünf Jahre später kein Linsenteleskop gehabt", erklärt der Leiter der Sternwarte, Professor Peter Hauschildt, 49. "So gehören wir zu den wenigen Sternwarten, die beide Teleskope besitzen." Zurzeit läuft bei der Unesco das Verfahren, die Bergedorfer Sternwarte in die Liste des Weltkulturerbes aufzunehmen. Schon früh widmeten sich die Astronomen der Hamburger Sternwarte der Himmelskartierung. "Es wurden präzise Sternkarten gezeichnet, und auch vom Mars haben wir viele Zeichnungen", sagt Peter Hauschildt. Für Wissenschaftshistoriker ist die Bibliothek der Sternwarte eine Fundgrube. Die alten Beobachtungen haben aber auch für die moderne Astronomie ihren Wert. "Wir wollen darum die 30 000 Glasplatten mit Himmelsbeobachtungen, die wir besitzen, scannen und der Wissenschaft digital zur Verfügung stellen", so Hauschildt.

Auch wenn die großen Teleskope der Sternwarte nach wie vor im Einsatz sind, beschäftigen sich die Wissenschaftler inzwischen auch mit Röntgenastronomie, für die man Satelliten braucht, Infrarot- und Radioastronomie, die häufig nur in Zusammenarbeit mit anderen Sternwarten möglich sind. Hauschildt selbst ist theoretischer Astrophysiker, der das Klima von Sternen und Planeten berechnet. "Wir sind einer der größten Abnehmer von Rechenleistungen von Supercomputern, die in Hannover und Berlin stehen."

Die Astronomie habe in den vergangenen Jahrzehnten riesige Fortschritte gemacht. So sei die Frage, ob es Leben außerhalb der Erde gebe, in den Fokus der Astronomen geraten. "Man wird sie in den nächsten 50 Jahren beantworten können", ist Hauschildt zuversichtlich.

Im nächsten Jahr feiert die Bergedorfer Sternwarte ihr 100-jähriges Bestehen. Noch steht das Programm in seinen Einzelheiten nicht fest. Aber neben einem Festakt und einem Tag der offenen Tür wird es "100 Stunden beobachten" geben, das im Internet verfolgt werden kann. Die Fachwelt wird sich zu einer Tagung einfinden.