Das Archäologische Institut der Universität Hamburg braucht Räumlichkeiten für 173 antike Figuren

Noch sind sie, wenig standesgemäß, in einer ehemaligen Backstube an der Grindelallee und in einer Halle in Stellingen untergebracht. Doch dort können die 173 antiken Gipsfiguren des Archäologischen Instituts der Universität Hamburg nicht bleiben. "Die Backstube hat einen Feuchtigkeitsschaden, der die Figuren teilweise sogar schon angegriffen hat, und außerdem müssen wir den Standort Stellingen aufgeben", sagt Professor Martina Seifert.

Gesucht wird ein neues Zuhause für die unverzichtbare Sammlung - möglichst in der Nähe der Universität. Die neuen Räume müssen groß dimensioniert sein, um auch die Kopie des Giebels des Zeus-Tempels in Olympia mit seinen 27 Figuren unterbringen zu können. Der Giebel ist 4,5 Meter hoch und 25 Meter breit. Zur Sammlung gehören aber auch kleinere Stücke wie Porträts und Kleinkunst.

Zurzeit können nur die Statuen in der Backstube besichtigt werden. An dem neuen Standort soll dann die komplette Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. "Zuvor muss sie allerdings grundlegend restauriert werden", sagt Martina Seifert. "Einige Figuren haben bereits in der frühen Nachkriegszeit Schäden erlitten, weil sie vorübergehend im Hafen untergebracht waren."

Doch so lange müssen die Hamburger nicht warten, um die griechischen und römischen Skulpturen in Augenschein nehmen zu können. "Am 29. Oktober werden wir die Backstube zur 4. Nacht des Wissens öffnen", sagt Juniorprofessor Stephan Faust. "Dann sollen, inmitten der Figuren, antike Orakel im Mittelpunkt stehen." Aber auch jenseits solcher Events werden die Skulpturen nicht versteckt.

Interessierte Gruppen können sich beim Sekretariat des Archäologischen Instituts (Tel. 428 38-47 55) für eine Führung anmelden. Schulklassen haben schon von diesem Angebot Gebrauch gemacht, aber auch Zeichenklassen sind in der Backstube willkommen. Stephan Faust oder einer seiner Kollegen erklären dann den Besuchern, wie sich die griechische und römische Plastik entwickelt hat und erörtern Fragen, die sich den Wissenschaftlern bei ihrer Forschung stellen.

Anhand des sogenannten Mausolos von Halikarnassos wird beispielsweise derzeit international diskutiert, ob es im 4. Jahrhundert v. Chr. schon Porträts von konkreten Herrschern gab oder ob Skulpturen damals nur ideale Leitbilder verherrlichten. "Auf viele Fragen gibt es keine eindeutigen Antworten", sagt Faust. Unbeantwortete Fragen machen zudem neugierig und regen die Fantasie an. Die leblosen Skulpturen, an denen man ohne Führung vorbeischlendern würde, erwachen so gleichsam zum Leben.

Die Sammlung ist aber nicht nur für Freunde der Antike von Interesse. Dazu sagt Stephan Faust: "Sie stellt auch ein Stück Hamburger Kulturgeschichte dar, denn viele Figuren wurden von Hamburger Kaufleuten gespendet." Die Gipsfigurensammlung ist älter als die Universität. Die hat sie erst Anfang der 1980er-Jahre von der Hamburger Kunsthalle übernommen, wo man die Sammlung im späten 19. Jahrhundert zusammengestellt hatte.

Ziel war es, die Geschichte der abendländischen Skulptur darzustellen. "Originale konnte man damals nicht mehr erwerben, also kaufte man diese originalgetreuen Repliken, die in Deutschland hergestellt wurden", erklärt Stephan Faust. In den 1920er-Jahren kam es dann in Hamburg zum "Faksimile-Streit", und die Gipsabgüsse verschwanden im Magazin der Kunsthalle. Seitdem werden in der Kunsthalle nur noch Originalkunstwerke ausgestellt.

Anfang der 1980er-Jahre erblickten die Figuren dann wieder das Licht der Öffentlichkeit, jetzt in den Räumen des Archäologischen Instituts, dem sie übergeben worden waren. Seit 1992 stehen die meisten Figuren in der ehemaligen Backstube. "Die Plastiken sind wichtig für unseren Lehrbetrieb, auch wenn sie nicht systematisch nach wissenschaftlichen Kriterien gesammelt wurden", sagt Martina Seifert. "Die Skulptur stellt nach wie vor eine zentrale Gattung in unserem Fach dar und kann nur am Objekt angemessen beurteilt werden."

Dabei spielt unter anderem auch das Thema Mehrfarbigkeit eine Rolle. Die alten Griechen hatten die Statuen bunt angemalt. Wir kennen sie nur im reinen Weiß, in dem der Vater der klassischen Archäologie Johann Joachim Winckelmann ihre "edle Einfalt und stille Größe" bewundert hatte. Zum Thema Mehrfarbigkeit hält Jan Stubbe Østergaard von der Ny Carlsberg Glyptotek in Kopenhagen am 7. Dezember um 18 Uhr einen öffentlichen Vortrag im Archäologischen Institut. Figuren stehen auch im Mittelpunkt der Sonderausstellung "Im Schatten der Macht", die das Archäologische Institut an der Edmund-Siemers-Allee (westlicher Flügelbau) ab dem 9. Oktober zeigt.

Professor Martina Seifert würde, wenn ein neues Heim für die Figuren gefunden ist, gerne das eine oder andere Stück, das in der Sammlung fehlt, einkaufen. "Das hängt natürlich von den Mitteln ab, die uns dann zur Verfügung stehen", sagt sie.

Aber Martina Seifert hat noch einen weiteren Wunsch: "In den 1990er-Jahren hatten wir eine eigene kleine Gipsformerei, in der damals ABM-Kräfte arbeiteten. Es wäre schön, wenn wir die mit Studenten wieder aufleben lassen und selbst kleine Figuren anfertigen könnten."