Viele Bewerber, Unachtsamkeit der Firmen - für ein Nein gibt es verschiedenste Gründe. So baut man sein Selbstwertgefühl wieder auf

Berlin. Das erste Vorstellungsgespräch in der Personalberatungsfirma verlief erfolgreich, das zweite auch. Anja Haack hatte bereits den Schreibtisch, an dem sie später arbeiten sollte, gesehen. Jetzt brauchte die Office-Managerin, so schien es, nur noch den Arbeitsvertrag zu unterschreiben. Doch dann geschah: nichts. "Ich habe mich mehrfach gemeldet, wurde aber immer wieder vertröstet. In einigen Fällen haben sich die Ansprechpartner vielleicht auch verleugnen lassen", sagt Anja Haack. Am Ende wurde der 47-Jährigen gesagt, sie bekäme die Stelle nicht.

Haack war vor gut sechs Monaten arbeitslos geworden, als ihr Arbeitgeber in die Insolvenz ging. Seitdem hat sie ungefähr 60 Bewerbungen verschickt und wurde zu zehn Vorstellungsgesprächen eingeladen. "Eine Absage tut immer weh, diese aber fand ich besonders schmerzhaft, weil mir ja vonseiten des Unternehmens klar signalisiert wurde, dass man mich haben will."

Christiane Tantau, Coach und Trainerin in Hamburg, versteht die Enttäuschung von Bewerbern. Aber sie sagt auch: "Wenn Absagen kommen, darf man sie nicht persönlich nehmen." Es gebe unzählige mögliche Ursachen für die Ablehnung - ebenso für die späte Benachrichtigung. Gut findet sie das selbstverständlich nicht: "Doch viele Unternehmen haben einfach keinen sehr wertschätzenden Bewerbungsprozess." Und wo die professionelle Personalabteilung fehlt, würden Mitarbeiter neben dem Tagesgeschäft gesucht. "Auch das führt dazu, dass Bewerber oft lange auf eine Antwort warten müssen."

Bis zu einem Vierteljahr würden Bewerber von potenziellen Arbeitgebern hingehalten, bis sie schließlich eine Absage bekämen, so die Erfahrung von Maria Richter, die Anja Haack als Coach bei der Arbeitssuche begleitet. Dabei würden doch zwei Parteien aufeinanderstoßen, die beide einen Mangel ausgleichen wollten: "Die Unternehmen suchen neue Mitarbeiter, die Bewerber einen neuen Job." Eigentlich müssten sich beide Parteien auf Augenhöhe begegnen. Tatsächlich aber fühlen sich die meisten Arbeitssuchenden in einer Bittstellerposition - und werten Absagen der Unternehmen als Zeichen ihres Versagens.

Es ist ein schwacher Trost, zu wissen, dass der Weg zu einem neuen Job für die meisten Menschen mit Rückschlägen und Frustrationen gespickt ist. "Die Hauptursache für Absagen ist der große Zulauf an Bewerbern", stellt Iris Böhning von der Arbeitsagentur München fest. Und werde dann eine Absage nicht begründet, "liegt das in vielen Fällen am Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz", erklärt sie. "Dieses Gesetz will verhindern, dass Bewerber etwa aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert werden. Um sich nicht juristisch angreifbar zu machen, schreiben viele Firmen deshalb keine Begründung in ihre Absage", sagt die Expertin.

"Das AGG verhindert aber auch, dass man bei einer Absage eine Antwort bekommt, aus der man etwas lernen kann", ergänzt Karriere-Coach Christiane Tantau. "Da nützt es auch kaum noch etwas, hinterher beim Unternehmen anzurufen und nach den Gründen für die Absage zu fragen", glaubt sie. "Das frustriert nur noch mehr."

Wer abgelehnt wird, sollte seine Unterlagen kritisch betrachten: Ist der Lebenslauf lückenlos, passt die Aufmachung zur Branche, macht einen das Foto sympathisch? Ein fremder Blick hilft, das besser einzuschätzen: "Lassen Sie mal Freunde draufschauen", rät Tantau. Außerdem müssten sich Bewerber angesichts mehrerer Absagen fragen, ob sie sich auch wirklich um solche Jobs bemühen, die gut zu ihnen passen. Wenn in einer Ausschreibung steht "fundierte SAP-Kenntnisse im Modul CO werden vorausgesetzt", ist das ein Muss. Sind dagegen Spanischkenntnisse nur "von Vorteil", muss man sie nicht zwingend mitbringen.

Doch wer schon einige Absagen ertragen musste, tut gut daran, erst mal sein Selbstbewusstsein wieder ein bisschen aufzubauen. "Schreiben Sie dazu eine Erfolgsliste", rät Karriereexpertin Christiane Tantau. "Was ist Ihnen in der Vergangenheit gut gelungen? Was haben Sie erreicht, welche Prüfungen bestanden?" Dann solle man versuchen, sich wieder in diese Situationen hineinzufühlen, in denen man Erfolg erlebt habe. "So kann ich mich auch nach deprimierenden Erlebnissen schneller wieder aufladen."

Tantau rät auch dazu, sich Unterstützer zu suchen. "Ein Serviceteam wie beim Motorsport", sagt sie. "Leute, die einem Mut machen, die einem immer wieder sagen, welche Stärken man hat." Das dürfe gern auch völlig unkritisch geschehen: So schaffe der Bewerber leichter den Perspektivwechsel von Frustration hin zu neuer Zuversicht. "Und achten Sie auf Ihre Wortwahl", rät die Trainerin jedem Bewerber. "Sie sind arbeitssuchend, nicht arbeitslos!" Auch mit solchen scheinbaren Kleinigkeiten könne man sich selbst motivieren.

Auch Anja Haack hat sich nicht entmutigen lassen und weitere Vorstellungsgespräche geführt. Eine Stelle interessiert sie besonders. "Dieser Job entspricht exakt meinen Vorstellungen, weil ich dort als Allrounder für den gesamten Office-Bereich zuständig wäre", sagt sie. Im Nachhinein glaubt sie, dass die Absage der anderen Firma vielleicht doch etwas Gutes hatte.