Das Hamburger Projekt Pro Exzellenzia unterstützt hochqualifizierte Akademikerinnen bei ihrer Karriereplanung

Nicht jeder, der an der Hochschule Karriere macht, ist auch ein eifriger Schüler gewesen. Lina Richter zum Beispiel konnte sich mit der Schule nicht wirklich anfreunden - und verließ sie mit dem Realschulabschluss. "Schließlich wusste ich ja was ich wollte: Friseurin werden", sagt die 29-Jährige. Doch nach der Ausbildung habe sie sich gefragt: "Will ich das wirklich für die nächsten Jahrzehnte machen?"

Statt für den Haarsalon entschied sie sich, auf dem zweiten Bildungsweg am Tagesgymnasium Hansa-Kolleg ihr Abi nachzuholen. Und von da aus ging es geradewegs an die Uni Hamburg zum Chemiestudium. "Schon während der Berufsausbildung war mein Interesse an den biochemischen Hintergründen erwacht", sagt Richter. Inzwischen hat sie ihr Diplom und promoviert.

Durch ihre Forschung auf dem Gebiet medizinischer Chemie liegt eine Karriere in der Pharmaindustrie nahe. Doch ihre halbe Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin hat Richter eine weitere Option eröffnet. Starthilfe bot ihr dabei ein Workshop des Projekts Pro Exzellenzia. Kurz bevor sie ihr erstes eigenes Seminar übernahm, besuchte sie den Lehrgang "Atem - Stimme - Sprechen". "Dank des Workshops bin ich bei Stimme geblieben, und meine Aufregung hat sich kaum gezeigt. Und nun kann ich mir tatsächlich auch eine universitäre Laufbahn vorstellen - das hätte ich mir früher nicht träumen lassen."

137 Frauen hat Pro Exzellenzia (s. Kasten) während des ersten Jahres nach Startschuss schon auf diese oder andere Weise Mut gemacht - mit Lehrgängen, Workshops, Beratung, durch Stipendien. Frauen zu bestärken, den Weg in Hamburgs Chefetagen zu wagen, ist ein erklärtes Ziel des Programms, das sich an junge Akademikerinnen mit Wohnsitz in Hamburg richtet.

Einziges Kriterium, um an den von der Stadt und der EU geförderten Angeboten teilzunehmen: Die Frauen müssen in den MINT-Bereichen (Mathe, Informatik, Naturwissenschaften, Technik), in Kunst, Musik oder Architektur tätig sein. "In diesen Feldern finden sich besonders wenige Frauen in Führungspositionen, darum setzen wir hier an", sagt Projektleiterin Anne-Kathrin Guder.

Am meisten von Pro Exzellenzia profitieren sicherlich die Doktorandinnen, die eines der 22 Vollstipendien erhalten haben. In ihren Dissertationen beschäftigen sie sich beispielsweise mit Nanopartikeln oder der Umwandlung von Biomasse in Biorohöl. "Neben der finanziellen Unterstützung erhalten die Stipendiatinnen eine quasi maßgeschneiderte Begleitung ihrer Karriereplanung", erklärt Guder. Sollte das Projekt über die bislang zwei genehmigten Jahre hinaus verlängert werden, könnten weitere Stipendien vergeben werden, vielversprechende Anwärterinnen seien vorhanden. "Die Entscheidung darüber könnte Anfang 2012 fallen."

Auch die von Pro Exzellenzia angebotenen Seminare, Netzwerkveranstaltungen, Karriereberatungen sind immer schnell ausgebucht, sagt Guder. Gerade bereitet sie weitere Workshops vor, unter anderem: "Wie vereinbare ich Kind und Karriere?" Das Thema interessiert auch Lina Richter. Sie ist schwanger. Hat sie je über ein Entweder-oder nachgedacht? "Nein", sagt sie. Sie habe immer beides gewollt.