Arbeitgeber geraten in Bedrängnis: Bewerberzahl auf Lehrstellen sinkt. Ein neuer Wettbewerb vergibt Gütesiegel für gute Ausbildungsbetriebe.

"Für Unternehmen wird es zunehmend schwieriger, Ausbildungsplätze zu besetzen", sagt Thomas Schierbecker, stellvertretender Geschäftsführer Berufsbildung der Handelskammer Hamburg. Er macht die demografische Entwicklung dafür verantwortlich, die sinkende Zahl der Schulabgänger. Darüber hinaus stellen die Betriebe fest, dass die Schüler weniger können: "Sie berichten uns von Defiziten in der mündlichen und schriftlichen Ausdrucksfähigkeit, in den Grundrechenarten und bei den Umgangsformen", sagt Schierbecker. "Da verzichten Unternehmen auch schon mal auf die Besetzung eines Ausbildungsplatzes."

Was die Stellenbesetzung 2011 angeht, steht Hamburg noch ganz gut da. Zum 1. August, dem offiziellen Ausbildungsbeginn, waren der Handelskammer fast 8000 Ausbildungsverträge gemeldet worden. "Wir gehen davon aus, dass wir bis Jahresende das Vorjahresergebnis von rund 10 000 erreichen können", sagt Schierbecker. Doch er hat auch festgestellt, dass von den 800 freien Ausbildungsplätzen, die in der Online-Lehrstellenbörse der Handelskammer Anfang August noch gemeldet waren, inzwischen 400 verschwunden sind. "Aus denen wird wohl nichts mehr", sagt Schierbecker. "Einige Betriebe stellen zum 1. August ihre Bemühungen ein." Nachwuchs fehle vor allem in den IT-Berufen, im Groß- und Außenhandel, unter den Bürokaufleuten und im Hotelbereich.

Handwerkskammer verzeichnet ein leichtes Minus an Ausbildungsverträgen

"Die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe ist sehr hoch, aber einige Stellen bleiben frei", sagt Anemone Schlich, stellvertretende Sprecherin der Handwerkskammer. Die Kammer zählt dieses Jahr 1426 Ausbildungsverträge. "Ein leichtes Minus im Vergleich zum August 2010", sagt Schlich. Außerdem seien in ihrer Online-Lehrstellenbörse zurzeit doppelt so viele freie Plätze zu finden wie im Vorjahr.

Doch noch hält Schlich die Situation nicht für bedrohlich. "Die Betriebe reagieren: Sie haben in diesem Jahr zum Beispiel schon Monate früher als üblich mit der Personalsuche begonnen." Außerdem unterhielten inzwischen 300 Betriebe Partnerschaften mit Schulen in ihrem Bezirk. "So versuchen sie, Schüler schon früh für sich zu interessieren." Denn die "Hit-Berufe" seien weiterhin Kfz-Mechatroniker und Friseurin. "Dabei gibt es mehr als 100 Ausbildungsberufe im Handwerk", sagt Schlich. Doch den meisten jungen Leuten fielen erst einmal nur die traditionell populären Berufe ein, ebenso wie ihnen vor allem die großen, bekannten Arbeitgeber in den Sinn kommen.

Dass angehende Azubis gern ausgetretene Pfade gehen, stellt auch Kirsten Vogt, Personalreferentin beim Fensterexperten Velux fest. Ihr Unternehmen nimmt jedes Jahr drei Lehrlinge im Bereich Groß- und Außenhandel unter Vertrag, weitere drei im Dialogmarketing. "Für die Ausbildung im Handel bekommen wir deutlich mehr Bewerbungen", sagt Vogt. 2010 habe sie im Dialogmarketing sogar nur eine der Stellen besetzen können. "Manche Bewerber haben eine falsche Vorstellung von dem Beruf", sagt sie. Zum anderen fehle es mitunter aber auch an ihrer Ausdrucksfähigkeit und am guten Auftreten.

Das sieht Uta Keuchen, Ausbildungsverantwortliche bei der Drogeriemarktkette Budnikowsky, ähnlich. "Wir konnten alle 40 ausgeschriebenen Ausbildungsplätze besetzen", sagt sie. "Aber teilweise erst sehr spät." Einen neuen Wettbewerb für Unternehmen sieht Keuchen darum auch als gute Möglichkeit, für Budni als Arbeitgeber zu werben. "Ein gutes Image nach außen hat Einfluss auf die Zahl und die Qualität der Bewerber", glaubt sie. Darum nimmt Budni wie auch Velux am Qualitätscheck "Hamburgs beste Ausbildungsbetriebe" teil (s. Kasten).

Christian Roos von Roos Consult, einem Unternehmen der Gruppe Prof. Sarges & Partner, ist verantwortlich für die Datenerhebung bei dem Wettbewerb. "Die Ausbildungsleiter müssen einen Fragebogen zu Hard Facts wie Art der Ausbildungen oder Übernahmequote beantworten", erklärt er.

Die Lehrlinge bewerten ihre Ausbilder und ihr Unternehmen anonym

"Auf dem Bogen für die Azubis geht es darum, wie sie ihren Betrieb wahrnehmen, etwa die Ansprache durch die Ausbilder, deren Freundlichkeit und Fachkenntnis, aber auch wie gut erreichbar die Firma mit öffentlichem Nahverkehr ist." Den Fragebögen liegen frankierte Umschläge bei, in denen die Azubis ihre Antworten anonym zurückschicken können.

Was die Unternehmen davon haben? "Sie sehen, wie sie im Vergleich zu anderen mit ihrer Azubi-Arbeit dastehen", erklärt Roos. Außerdem würden sie erfahren, wo bei ihnen Entwicklungspotenzial stecke. "Wenn ich als Betrieb schlechte Noten bei der Erreichbarkeit bekomme, kann ich mir überlegen, ob ich einen Shuttle-Service zum Bahnhof einrichte." Das wichtigste Argument für eine Teilnahme am Wettbewerb sei aber: "Erhält man das Gütesiegel, erhöht man damit seine Sichtbarkeit bei den jungen Bewerbern und ihren Eltern", sagt Roos. "Wenn man als Arbeitgeber nicht bekannt genug ist, kriegt man auf einem enger werdenden Markt auch keine Bewerber mehr."

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