Ein Kommentar von Mark Hübner-Weinhold

"Ihr Postfach ist fast voll." Diese Mahnung von Outlook kommt mit der penetranten Beharrlichkeit des Murmeltiertages. Trotz Speicherkapazität von 250 Megabyte quillt mein digitaler Briefkasten beharrlich über.

Doch damit ist jetzt Schluss: Ich habe radikal gelöscht. Rund 2000 Mails sind meiner Aktion gerade zum Opfer gefallen - im Schnelldurchlauf. Dass dabei wichtige Dateien im Nirwana verloren gehen, nun, ich nehme es bei dieser Digital-Diät einfach in Kauf. Im Zweifel hat sowieso jemand die Mail in Cc oder im eigenen Postausgang gebunkert.

So hat sich die Zahl der verbleibenden Mails auf etwa 100 verringert. Ein wirklich gutes Gefühl, wäre da nicht die Gewissheit, dass diese Zahl binnen drei Wochen urlaubsbedingter Abwesenheit locker eine Null dazubekommt. Mein erster Arbeitstag nach dem Urlaub wird zur Hälfte mit starrem Blick auf den Bildschirm verbracht, um bestenfalls 20 Prozent wichtige Botschaften von 80 Prozent Infomüll zu trennen.

Eifrige Kollegen machen das gern am letzten Urlaubsabend, um sich schon mal einen Überblick zu verschaffen. Früher hat man den Urlaub romantisch austrudeln lassen - eine Idee, der ich viel abgewinnen kann. Bei vielen Berufstätigen ist außer der Romantik auch die Erholung im Urlaub passé, weil sie übers Smartphone ständig am digitalen Nachrichtentropf der Firma hängen.

Laut StepStone-Umfrage sind 61 Prozent der deutschen Fach- und Führungskräfte für ihren Chef im Sommerurlaub erreichbar. Wer schaltet dabei wirklich ab?

So wichtig sollte sich niemand nehmen, dass er oder sie nicht mal zwei, drei Wochen konsequent die Schotten zum Mailfach schließt. Und so wichtig sollten auch die Arbeitgeber, Chefs und Kollegen den Urlaub von Mitarbeitern nehmen, dass sie ihnen diese Zeit der Funkstille ohne schlechtes Gewissen zubilligen. Nur so ist Abstand vom Job möglich, nur so können wir unser Gehirn überhaupt in den Urlaubsmodus umschalten, mit frischen Eindrücken durchfluten lassen, auf Partner und Kinder konzentrieren und uns wirklich erholen. Der Alltag holt uns früh genug wieder ein. Spätestens, wenn das Postfach voll ist.