Nur ein Viertel der Studenten aus Nicht-EU-Staaten bleibt nach dem Abschluss in Deutschland - Firmen suchen ausländische Fachkräfte.

Hamburg. Jose Hincapié ist gekommen um zu bleiben. Zumindest vorerst, denn mit seinem Studium an der Kühne Logistics University (KLU) in Hamburg hat sich der Kolumbianer einen Traum erfüllt. "Eigentlich wollte ich schon nach meinem Schulabschluss nach Deutschland kommen, aber das hat leider nicht geklappt", erzählt der 31-Jährige. Also machte er in seiner Heimat zunächst seinen Bachelor-Abschluss in Wirtschaftsingenieurwesen und sammelte sechs Jahre Berufserfahrung, bevor er sich in der Hansestadt bewarb. "Ich bin froh, dass ich die Chance habe, in Hamburg zu studieren, das weltweit als führendes Logistikzentrum in Europa bekannt ist", sagt Hincapié, der gerade seinen Master in Global Logistics and Supply Chain Management macht.

Wie der Kolumbianer träumen viele jungen Menschen von einem Studium in Deutschland, denn das hat weltweit einen besonders guten Ruf. Seit 2007 steigt die Zahl der ausländischen Studenten in Deutschland kontinuierlich an: Laut Angaben des Statistischen Bundesamtes kommen 12,7 Prozent, im aktuellen Semester also 249 781 Studenten aus dem Ausland, davon die meisten aus China, Russland und Polen. Drei Viertel von ihnen haben ihren Schulabschluss im Ausland gemacht und gelten damit als Bildungsausländer. Nach den USA und Großbritannien gehört Deutschland damit zu den beliebtesten Ländern für ein Studium im Ausland.

Auch Hincapié sagt: "Ich wollte schon immer ein führendes Industrieland wie Deutschland kennenlernen und Kontakte zu erfolgreichen Unternehmen knüpfen." Doch genau hier liegt der Haken. Denn obwohl die in Deutschland ausgebildeten Fachkräfte aus dem Ausland zumeist hoch qualifiziert sind, landet nur rund ein Viertel der Absolventen nach dem Abschluss auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Und das, obwohl das Land dringend auf der Suche nach gut ausgebildeten Fachkräften vor allem in den sogenannten MINT-Fächern - Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik - ist. Zum Vergleich: In Kanada, Frankreich und Belgien bleiben bis zu drei Viertel der Studenten dem Arbeitsmarkt des Ausbildungslandes erhalten. Günter Klemm, Chefvolkswirt der Handelskammer, betont, "dass bei dem Fachkräftemangel im naturwissenschaftlichen und technischen Bereich die Chancen am Wirtschaftsstandort Hamburg jetzt und in den nächsten Jahren positiv sind".

Astrid von der Heide ist Mitarbeiterin im International Office an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) in Hamburg und Mitglied im Arbeitskreis Ausländerstudium Hamburg. Sie weiß: "Grundsätzlich bemühen sich viele ausländische Absolventen um eine Anstellung auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Aber dabei stoßen sie eben auch auf viele Hürden."

"Von einigen Studierenden sind Rückmeldungen gekommen, dass es für sie schwierig ist, das Jahr zur Arbeitssuche zu finanzieren", sagt Marianne Tursich von der Behörde für Wissenschaft und Forschung. Lediglich 90 Tage oder 180 halbe Tage, so lautet die Regel, dürfen die Absolventen während der Stellensuche arbeiten. Und zu den finanziellen Belastungen kommen bürokratische Hürden: Ein Jahr haben die ausländischen Absolventen nach ihrem Abschluss Zeit, einen Job zu finden, dessen Gehalt ihrer Qualifikation entspricht. "Aber genau wie Deutsche finden ausländische Studenten nicht immer sofort nach dem Studium einen Arbeitsplatz", gibt von der Heide zu Bedenken. "Und wir wissen auch, dass insbesondere in den sozialen und kreativen Berufen häufig Gehälter gezahlt werden, die den Vorgaben der Arbeitsagentur nicht entsprechen."

"Gedacht ist diese Regelung zum Schutz der Bewerber", verteidigt Marina Marquardt von der Agentur für Arbeit in Hamburg die Klausel. "Wir wollen damit verhindern, dass IT-Fachkräfte für 600 Euro im Monat zwei Jahre lang als Praktikanten beschäftigt werden."

Gokul Natarajan stammt aus Indien und kennt die Schwierigkeiten, denen Absolventen im ersten Jahr nach dem Uni-Abschluss ausgesetzt sind, nur zu gut. "Ich habe das eine Jahr nur hier bleiben können, weil ich Geld von meiner Schwester und meinen Eltern bekommen habe", sagt der Inder, der bis voriges Jahr Mechatronik und Technology Management an der TU Hamburg Harburg (TUHH) studierte. "Aber meine Familie hat mir eine Frist gegeben: Hätte ich dieses Jahr im Frühjahr keinen Job gehabt, hätte ich nach Indien zurückfliegen müssen", sagt der 29-Jährige, der mittlerweile bei Terex-Demag im Rheinland arbeitet. Auch Adarsha Kanchana, 30, lebt seit 2008 in Deutschland, hat an der TUHH einen doppelten Master-Abschluss in Mikroelektronik und Business Administration gemacht und ist für sein akademisches und soziales Engagement von der Bundeskanzlerin mit dem DAAD-Preis ausgezeichnet worden.

"Die Situation ist schwierig", sagt der Inder. "Ich bin hoch qualifiziert und möchte gerne in Deutschland arbeiten, aber meine Frau darf es nicht." Der Abschluss der studierten Zahnmedizinerin mit Berufserfahrung wird in Deutschland nicht anerkannt. Die einzige Möglichkeit für sie ist, ein neues Studium aufzunehmen, wenn ihr Mann eine Niederlassungserlaubnis bekommen hat. Kanchana: "Finden wir keine Lösung, werden wir schneller nach Indien zurückgehen, als uns lieb ist."

Ob der Kolumbianer Jose Hincapié eines Tages wieder in seine Heimat zurückkehren wird, weiß der 31-Jährige noch nicht: "Wenn ich einen guten Job finde, möchte ich hier bleiben."

Hier gibt es Unterstützung

"Studienabschluss in Hamburg - und wie geht es weiter?" Darf ich während der Arbeitssuche eigentlich jobben? Welche Bedingungen gibt es für die Arbeitserlaubnis? Und was genau heißt eigentlich "dem Hochschulabschluss angemessen"?

Einmal im Jahr organisieren die staatlichen Hamburger Hochschulen, die Universität Hamburg, die Hochschule für Angewandte Wissenschaft (HAW) und die Technische Universität Hamburg-Harburg, eine Veranstaltung, die alle Fragen rund um das Aufenthaltsrecht für internationale Absolventen und Studenten aus Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, der Slowakei, Slowenien, Tschechien und Nicht-EU-Ländern beantwortet.

Die nächste Veranstaltung ist erst im Januar, doch Ratsuchende finden an Hochschulen Hilfe bei Career Service und International Office Experten zum Thema Berufseinstieg für ausländische Studenten.

Informationen bei der Universität Hamburg, Abteilung Internationales, Rothenbaumchaussee 36, 20148 Hamburg, Tel. 42838-44 72