Ob Kompetenzgerangel oder Mobbing: Oft können Schlichter Verfahren vor dem Arbeitsgericht vermeiden - indem man miteinander spricht.

Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte nicht immer. Vor allem dann nicht, wenn es sich bei diesem Dritten um den Arbeitgeber der Kontrahenten handelt. Streit, Mobbing, Animositäten mindern spürbar die Motivation der Mitarbeiter. "Und das kostet das Unternehmen so einiges", sagt Birgit Christiansen, Mediatorin und Coach in Quickborn. Vor allem, wenn die Missstimmung lange Zeit unter den Teppich gekehrt wird oder wenn ein Streit letztlich vor dem Arbeitsgericht ausgetragen werden muss. Mediation sei die günstigere Alternative, sagt Christiansen.

Bei der Mediation klären sogenannte Mediatoren - meist Juristen oder Psychologen mit Zusatzausbildung - mit den Beteiligten ihren Konflikt. Niemandem wird Schuld zugesprochen. Die Beteiligten schildern ihre Sicht des Streits, dann wird gemeinsam nach den Ursachen geforscht und ein Ziel formuliert. Das könne zum Beispiel lauten, eine angenehme Arbeitsatmosphäre zu erreichen, sagt Matthias Esch, Rechtsanwalt, Notar und Mediator aus Berlin. "Am Ende steht dann eine Vereinbarung, die eine einvernehmliche Lösung enthält, unterschrieben und am besten mit Handschlag besiegelt wird." Darin werde festgehalten, wie man sich künftig verhalten wolle, um Konflikte zu vermeiden.

Bis zur Vereinbarung werden Gespräche geführt - mal mehr, mal weniger, je nachdem, wie schwer der Streit wiegt. Meist wird mit allen gemeinsam gesprochen, manchmal, vor allem wenn ganze Teams beteiligt sind, werden auch Einzelgespräche geführt. "Das kann mitunter sehr emotional werden", sagt Kristin Nickelsen, Wirtschaftsmediatorin aus Hamburg. Wer die Kontrahenten sind, ist durchaus unterschiedlich: zwei Kollegen gleichen Rangs, Chef und Mitarbeiter, drei Geschäftsführer einer Firma, ein Team und sein Abteilungsleiter ... "Voraussetzung für eine Mediation ist nur, dass es einen Konflikt mit mindestens zwei Beteiligten gibt, den diese nicht selbst klären können", sagt Nickelsen. "Außerdem müssen sie freiwillig daran teilnehmen wollen", erklärt sie. Vom Vorgesetzten zur Mediation geschickt zu werden, widerspreche dem Prinzip der Freiwilligkeit. "Dann funktioniert Mediation nicht."

"Auch das Ergebnis muss offen sein", sagt Birgit Christiansen. Wenn ein Arbeitgeber, der die Mediation ja beauftragt und bezahlt, vorab eine Marschrichtung festlegen wolle, lehne sie den Job ab. Was in den Gesprächen auf den Tisch kommt, erfährt der Arbeitgeber nicht. "Ich bespreche das mit den Beteiligten. Sie legen fest, was an Informationen rausgeht."

"Der Mediator ist kein Berater, er ist zu absoluter Unabhängigkeit verpflichtet", sagt Matthias Esch. Seine Aufgabe sei es auch, "unterschiedliche Intellektualität" auszugleichen. So hat Esch zum Beispiel den Konflikt zwischen einer OP-Schwester und dem Chefarzt betreut. "Die Schwester verfügte nicht über die sprachlichen Fähigkeiten des Professors", erinnert er sich. "Obwohl sie genau wusste, was sie wollte, konnte sie sich nicht so ausdrücken - und wäre endgültig zum Opfer geworden, wenn kein Dritter die Auseinandersetzung begleitet hätte."

Duelle werden oft auf der fachlichen Ebene gefochten. "Doch eigentlich liegt immer eine persönliche Dimension dahinter", sagt Birgit Christiansen und erzählt von den zwei Kolleginnen, die selbst über sachlichste Themen nur noch per Zettel kommunizieren konnten. In der Mediation kam heraus, dass die beiden Charaktere tatsächlich nicht miteinander arbeiten konnten. "Der Arbeitgeber hätte sich sicher ein anderes Ergebnis gewünscht, aber so wurde immerhin Klarheit geschaffen und die Zusammenarbeit der beiden beendet."

So enden die wenigsten Mediationen. Experten schätzen die Erfolgsquote auf 70 bis 90 Prozent. Die Bereitschaft der Mitarbeiter, sich darauf einzulassen, ist auch da. Laut einer Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Roland Versicherung haben 57 Prozent der Bevölkerung schon von Mediation gehört. Von ihnen glauben wiederum 58 Prozent an einen positiven Effekt des Verfahrens.

Für 60 Prozent gibt es bei der Mediation keinen Verlierer, sondern eine Lösung, mit der alle Beteiligten gut leben können. Matthias Esch glaubt, dass der Streit um den Bahnhof "Stuttgart 21" und die Mediation mit Heiner Geißler gehörig zur Bekanntheit des Verfahrens in Deutschland beigetragen hat. "Für viele war der Begriff Mediation bis dahin ein schwarzes Loch."

Die Bereitschaft von Arbeitgebern, sich auf Mediation einzulassen, ist unterschiedlich. "Viele Großunternehmen tun sich schwer", hat Kristin Nickelsen festgestellt. "Holt man einen Mediator von außen, sieht ihnen das zu sehr nach Problemen aus." Konflikte werden eher mit internen Mediatoren angegangen, die aber oft nicht das hundertprozentige Vertrauen der Mitarbeiter haben.

Nickelsen selbst ist oft für Unternehmen tätig, die in Projekten arbeiten, zum Beispiel im IT-Bereich. "Die haben meist schon die Erfahrung gemacht: Wenn ein Projekt scheitert, liegt es sehr oft an der Kommunikation." Warum sich Unternehmen immer noch scheuen, eine offene Streitkultur anzustreben, kann sie nicht verstehen. "Konflikte sind doch völlig normal." Aus ihnen könnten Chancen entstehen. "Aber dazu muss man sich ihnen stellen."

Mediator ist kein geschützter Beruf. Es gibt mehrere Berufsverbände, die Ausbildungen empfehlen und Institute zertifizieren, zum Beispiel:

www.bmev.de

www.bmwa.de

www.dgm-web.de

www.ebem-eu.com