Mitunter eine Zerreißprobe: Janina Grothe ist nicht nur Mutter, sondern auch angehende Juristin. Fünf Prozent der Hochschüler sind Eltern.

Kiel. In der Prüfungsphase liegen bei Janina Grothe die Nerven blank. Sie studiert Jura im vierten Semester an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Nicht, dass der Stoff die gelernte Rechtsanwaltsfachangestellte überfordern würde: "Mit meinen Noten liege ich bisher gut im Mittelfeld", sagt sie. Schuld ist der Kindergarten: Der hat immer genau dann Sommerferien, wenn die 26-Jährige am meisten für ihr Studium tun muss. Grothe ist eine von rund 94 500 Studierenden mit Kind, die an deutschen Unis eingeschrieben sind - 42 000 Väter und 52 500 Mütter. Das entspricht einem Anteil von immerhin fünf Prozent. Doch an der Juristischen Fakultät in Kiel fühlt sich die junge Mutter eher als Exotin: "Ich kenne nur noch eine andere Jura-Studentin, die letztes Jahr kurz vor dem Examen ein Baby bekommen hat", erzählt sie.

Der kleine Toni kam bereits während ihrer Berufsausbildung zur Welt. "Als ich gemerkt habe, wie wenig ich als Rechtsanwaltsfachangestellte mit einer Teilzeitstelle verdiene, habe ich zuerst mein Abitur nachgeholt und dann das Studium aufgenommen", sagt sie. Kein leichter Weg, denn Kind und Studium unter einen Hut zu bringen ist an vielen Universitäten eine Herausforderung.

Es beginnt mit der Kinderbetreuung: Bundesweit bieten die 58 Studentenwerke zwar 6700 Plätze in gut 200 Kindertageseinrichtungen an. Doch die Zahl der Studenten mit Kind ist mehr als 14-mal so hoch, die Wartelisten lang. Viele junge Eltern gehen leer aus - auch Janina Grothe: Statt auf dem Campus musste sie Toni in einem städtischen Kindergarten unterbringen. Weil der weiter weg liegt und nicht rechtzeitig aufmacht, kommt sie morgens oft zu spät zur Vorlesung. Auch sonst hat sie öfter mal das Nachsehen, beispielsweise wenn ihr per Losverfahren ein Platz in einer Übungsgruppe um 20 Uhr zugewiesen wird. "Da wird auf mich als Mutter keine Rücksicht genommen." Zum Glück ist es in ihrem Studiengang möglich, überwiegend allein zu Hause zu lernen - anders als bei vielen Bachelorstudiengängen mit straffem Studienplan und Präsenzpflicht.

Der Preis der Flexibilität: Janina Grothe hat wenig Kontakt zu Kommilitonen und kommt deutlich langsamer voran. Zwar zeigen sich die Professoren meist einsichtig und haben ihr für einen Teil der Zwischenprüfung sogar eine Fristverlängerung gewährt. Doch ohne die Scheine darf sie trotzdem nicht an den prüfungsrelevanten Veranstaltungen teilnehmen: "Von der Regelstudienzeit habe ich mich gedanklich schon verabschiedet", sagt Grothe.

Gerade erst hat sich Janina Grothe bewusst für weiteren Nachwuchs entschieden. Ihr Freund bleibt als zukünftiger Lehrer auch nach dem Studium zeitlich flexibler als viele andere Väter und kann sie bei der Kinderbetreuung weiter unterstützen. "Ich studiere, um meine beruflichen Aussichten zu verbessern und will später nicht gleich wieder ausfallen, wenn ich endlich eine passende Stelle gefunden habe."

Ein guter Ansatz, findet Werner Eichhorst vom Institut zur Zukunft der Arbeit in Bonn. In einer Studie fürs Bundesfamilienministerium hat der Wissenschaftler Erwerbsbiografien von Müttern untersucht: Danach kehrt nur rund jede fünfte Akademikerin nach dem Erziehungsurlaub wieder Vollzeit in den Beruf zurück. Viele begnügen sich mit einer weniger karrieretauglichen Teilzeitstelle oder verabschieden sich komplett aus dem Berufsleben. "Nach einer längeren Pause gestaltet sich der Wiedereinstieg oft schwierig, weil sich dadurch berufliches Know-how, Erfahrungen und Kontakte zunehmend entwerten", sagt Eichhorst.

Wer wie Janina Grothe beim Berufsstart schon größere Kinder hat, ist im Vorteil. Außerdem beweisen junge Mütter potenziellen Arbeitgebern, dass sie zielstrebig und gut organisiert sind. Schließlich haben sie schon Kind, Studium und mitunter noch Nebenjob und Praktikum erfolgreich koordiniert.