Bernd-Georg Spies, Partner bei Russell Reynolds Associates, ist Headhunter. Er sucht die Topmanager für Unternehmen

Ein Headhunter findet im Auftrag von Unternehmen hervorragende Kandidaten für gut dotierte Jobs. Über Stellenanzeigen läuft da nichts: Die Mitarbeiter werden vorrangig bei anderen Firmen aufgespürt und abgeworben. Bernd Spies ist auf die Energiewirtschaft spezialisiert.

Hamburger Abendblatt: Sie arbeiten in einer wachsenden Branche. Wird Headhunting schwieriger, wenn mehr Jobs zu besetzen sind?

Bernd-Georg Spies: Nicht unbedingt. Dass die Branche attraktiv ist, führt eher dazu, dass auch Führungskräfte aus anderen Bereichen in der Energiewirtschaft arbeiten wollen. Von ihnen bekommen wir derzeit viele Anfragen.

Was ist für einen Headhunter die größere Herausforderung: Den richtigen Kandidaten zu finden oder ihn zu überzeugen, dass er den Job wechseln soll?

Spies: Den richtigen Kandidaten zu identifizieren ist schwieriger. Wenn ich ihn erst einmal gefunden habe, weiß ich ja schon ein bisschen was über ihn, unter anderem wie lange er schon in seinem gegenwärtigen Unternehmen arbeitet. Dann kann ich einschätzen, ob er an einem Punkt seiner Karriere ist, wo ein Wechsel Sinn macht. Wenn jemand erst kürzlich seine Position verändert hat, würde ich ihm vom erneuten Wechsel abraten, um eine gewisse Stetigkeit in den Lebenslauf zu bekommen. So etwas gehört auch dazu, wenn man ein guter Headhunter sein will.

Wo finden Sie die Informationen über mögliche Kandidaten?

Spies: Wir haben drei Wege. Der erste führt über die "Researcher" unseres Hauses. Sie identifizieren passende Kandidaten und stellen telefonisch den Erstkontakt her. Der zweite Weg führt über unsere Datenbank mit rund 1,5 Millionen Einträgen weltweit. Auf dem dritten Weg sprechen wir mit Leuten, die die Branche gut kennen, und fragen sie nach Tipps. Dafür braucht man einen guten Ruf und ein dichtes Branchennetzwerk.

Wie ist die typische Reaktion, wenn Sie Kontakt zu Kandidaten aufnehmen?

Spies: Die meisten sind angenehm überrascht, von uns angerufen zu werden. Das weckt so ein bisschen das Gefühl "Wenn Russel Reynolds mich anruft, dann hab ich's geschafft!" Schließlich geht es dann in der Regel um eine Position ab 150 000 Euro Jahresgehalt. Der Professionalitätsgrad der Gespräche hat in den vergangenen zehn Jahren deutlich zugenommen. Die im Umgang mit Headhuntern erfahrenen Manager fragen zum Beispiel nicht im ersten Gespräch, wie die neue Position bezahlt ist. Geldfragen spielen eine ganze Weile gar keine Rolle. Im Vordergrund steht, ob die Position, das Unternehmen und die Perspektiven interessant sind. Auch die Frage nach der Work-Life-Balance spielt heute eine größere Rolle.

Warum beauftragen Unternehmen Sie? Wollen sie bei der Suche anonym bleiben?

Spies: Nein, in acht von zehn Fällen ist das für die Unternehmen völlig okay, dass wir schon bei der Erstansprache Ross und Reiter nennen. Sie beauftragen einen Headhunter, weil sie frisches Blut im Unternehmen haben wollen, neue unternehmerische Konzepte und Ideen. Es kann auch sein, dass Unternehmen neue Geschäftsfelder aufbauen wollen, doch noch nicht die Kompetenz besitzen, in diesem Bereich Führungskräfte zu suchen. Und bei vielen Klienten kommt die internationale Komponente hinzu. Sie wollen ihre Marktposition im Ausland stärken, und wir können international für sie suchen.

Was verdienen Sie an einer Besetzung einer Position?

Spies: Ein Drittel des Jahreseinkommens des neuen Mitarbeiters.

Das animiert jetzt vielleicht doch den einen oder anderen ... Was sollte derjenige mitbringen, wenn er ein guter Headhunter werden will?

Spies: Eine gewisse Berufs- und Lebenserfahrung muss man haben. Man sollte auch die Branche, auf die man sich spezialisiert, gut kennen und in einem Unternehmen bereits Karriere gemacht haben. Ganz wichtig ist, Menschen geführt zu haben. Wenn man Führungskräfte sucht, muss man wissen, welche Herausforderungen die Führungsaufgaben mit sich bringen. Außerdem muss man in der Lage sein, parallel an mehreren Aufträgen gleichzeitig zu arbeiten. Die akquisitorische Ader muss da sein, man muss auf Klienten zugehen und sie überzeugen können. Wer international arbeiten will, braucht interkulturelle Kompetenz, muss zum Beispiel wissen, was die Besonderheiten des Managens in China sind und wer dorthin passt. Zuhören zu können, Zwischentöne zu erspüren ist auch wichtig. Und schließlich muss man für schwierige Sachverhalte differenzierte Worte finden - wie für die Besonderheit der Unternehmenskultur, die den Kandidaten erwartet.

Dr. Bernd-Georg Spies, 56, ist Partner von Russell Reynolds Associates in Hamburg. Das Unternehmen mit weltweit 38 Büros sucht im Kundenauftrag Führungskräfte und Spezialisten. Spies koordiniert weltweit die Aktivitäten im Bereich Industrie und Energie. Seit 14 Jahren arbeitet der promovierte Wirtschaftswissenschaftler als Headhunter. Auch er selbst wurde abgeworben - als leitender Beamter im Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommerns. Laut eines Rankings der "Wirtschaftswoche" gehört Spies zu den zehn wichtigsten deutschen Personalberatern im Energiebereich. Der sprachbegabte Hamburger - Englisch, Französisch, Italienisch - schwingt sich privat gern aufs Rennrad. Eine Begeisterung, die nur noch von seiner Fußballleidenschaft getoppt wird: Spies ist Vizepräsident des FC St. Pauli. Er ist verheiratet, hat einen erwachsenen Sohn und lebt auf der Uhlenhorst.