Die Klimaforscherin untersucht, wie sich Eis in Gletschern und Böden verhält

Den Navigatoren und Reisenden auf der "Titanic" wurden sie zum Verhängnis - Eisberge. Und auch heute noch ist das Verhalten der teilweise riesigen Massen für Wissenschaftler nicht so einfach berechenbar. Ebenso wie die Entwicklung von Gletschern und Permafrostböden. Ihrer Entstehung und Entwicklung auf die Spur zu kommen, ist das Ziel der Glaziologen.

Die Forscher untersuchen die verschiedenen Erscheinungsformen des "ewigen Eises". Sie erforschen zum Beispiel, warum Gletscher und Eisberge wo auftreten und wie sich verschiedene Arten von Eis und Schnee verhalten. Auch Schelfeise haben die Wissenschaftler im Blick: Das sind große Eisplatten im Meer, die mehrere Hundert Meter dick werden können und fest mit dem Gletschereis an Land verbunden sind. Wenn an ihren Kanten Eisberge abbrechen, sprechen die Glaziologen vom Kalben.

Die Glaziologie hat ihre Ursprünge im 19. Jahrhundert in der Schweiz. In der relativ jungen Forschungsdisziplin gebe es noch viele offene Fragen, sagt Angelika Humbert, Professorin am Institut für Geophysik der Universität Hamburg. Dort leitet sie seit Anfang 2010 eine der neu formierten Juniorgruppen des Exzellenzclusters CliSAP (Climate System Analysis and Prediction). "Die Gletscher in der Antarktis beispielsweise sind immer in Bewegung. Man muss sie sich als träge, dabei aber bewegliche Masse aus vielen kleinen Kristallen vorstellen, die wie Honig unterschiedlich schnell fließt", erklärt die 42-Jährige.

Um nachzuvollziehen, ob sich das Schelfeis in der Westantarktis im Zuge des Klimawandels zurückzieht, untersucht Humbert mit ihren vier Mitarbeitern, welche Bedingungen das Eis schnell oder langsam machen. Sie nutzt Feldmessungen und Daten, die Forscherteams jedes Jahr vor Ort erheben. Das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung aus Bremerhaven zum Beispiel macht Radarflüge. Satellitenbilder geben ein genaues Bild der Eisoberfläche, ihrer inneren Strukturen und Größenveränderungen ab.

Die Glaziologin nutzt und entwickelt Computermodelle und Simulationen. Sie zeigen auf, welche Faktoren eine Be- oder Entschleunigung der Eismassen verursachen können und welche Mengen an Eis jedes Jahr in den Ozean gelangen und damit zur Erhöhung des Meerwasserspiegels beitragen. "Leider ist die Datenlage mager", sagt Professorin Humbert. "Bei den Bohrungen kommt man lediglich an die Oberfläche der Eismassen heran, und Temperatursensoren lassen sich nur an wenigen Stellen platzieren. Trotzdem lernen wir jedes Jahr wieder unglaublich viel Neues." So wurden zum Beispiel unter der Antarktis Seen entdeckt.

Einen Studiengang Glaziologie gebe es an deutschen Universitäten nicht, sagt Geophysiker Daniel Steinhage vom Alfred-Wegener-Institut. "Wer Glaziologe werden möchte, sollte möglichst ein mathematisch-naturwissenschaftliches Fach wie etwa Geophysik studieren", rät er. "In den multidisziplinär zusammengestellten Forschungsteams sind vereinzelt auch Geologen, Physiker oder Biologen zu finden."

Angelika Humbert selbst war noch nicht in der Antarktis. Sie hofft, dass sich das bald ändert. Bis dahin wird sie sich weiter an ihrem Computer mit dem Eis beschäftigen, Seminare und Vorlesungen für Studenten halten - und hoffentlich ihrem Wunschtraum immer näher kommen, die Mechanismen des Kalbens besser zu verstehen.