Studie: Durch Arbeitsverdichtung, psychische und soziale Probleme ist die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter gesunken

Wer zehn Kollegen hat, kann davon ausgehen, dass sich acht von ihnen durch die Bedingungen an ihrem Arbeitsplatz belastet fühlen. Das hat eine Studie des Meinungsforschungsinstituts forsa im Auftrag des Fürstenberg Instituts ergeben. 2000 Arbeitnehmer wurden für den "Fürstenberg Performance-Index 2011" befragt, 84 Prozent von ihnen bejahten, Probleme am Arbeitsplatz zu haben. 79 Prozent haben den Eindruck, nicht das leisten zu können, wozu sie fähig wären. Das Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) hat auf Basis der Zahlen berechnet, wie hoch die Einbußen für die deutsche Wirtschaft durch dieses Leistungsminus sind: 364 Milliarden Euro.

Insgesamt haben sich laut der Studie für die Mitarbeiter die psychischen, sozialen, beruflichen und familiären Belastungen erhöht. "Wir hatten erwartet, dass die Zahlen positiver sein würden. Wir sind ja mitten im Aufschwung", sagt Geschäftsführer Werner Fürstenberg. Doch der Aufschwung hat sich auf das Befinden der Befragten offenbar nicht ausgewirkt. Mögliche Gründe: "Während der Krise wurden Stellen abgebaut, jetzt haben zahlreiche Unternehmen wieder volle Auftragsbücher. Weniger Mitarbeiter müssen mehr leisten", vermutet Fürstenberg. Außerdem sei das Thema Belastungen im Job gerade vergangenes Jahr öffentlich stark diskutiert worden. "Mitarbeiter sind dadurch sensibler geworden und prüfen sich selbst stärker." Natürlich gäben die Antworten immer subjektive Befindlichkeiten wieder.

Die Befragten haben festgestellt: Zu 84 Prozent haben sie Probleme bei der Vereinbarkeit von Job und Privatleben, 69 Prozent klagen über psychische oder soziale Probleme, 62 Prozent über körperliche Beschwerden und 48 Prozent über private oder familiäre Sorgen. Alle Zahlen sind im Vergleich zu 2010 gestiegen - außer der für die Vereinbarkeit von Beruf und Privatem: Danach wurde vergangenes Jahr nicht gefragt.

Was man verbessern kann? "Die Führung spielt eine große Rolle", sagt Werner Fürstenberg. "55 Prozent der Mitarbeiter fühlen sich von ihren Vorgesetzten nicht gewertschätzt." Firmen müssten über die Themen Führungskultur ("Oft klaffen die proklamierte und die gelebte Kultur stark auseinander") und flexible Arbeitszeiten nachdenken, regt Fürstenberg an. Führungskräfte bräuchten Unterstützung im Umgang mit psychisch belasteten Mitarbeitern. "Und sie müssen sich überlegen, wie sie Mitarbeitern wieder mehr Lust auf Leistung machen können."

"Viel Freiheit lassen, Gestaltungsspielräume geben", schlägt Unternehmensberater Claus Fehling, Geschäftsführer von GMC Management Consulting in Hamburg, Firmen vor. Unzufriedenheit, Langeweile und Demotivation entstehen seiner Ansicht nach dann, wenn ein Mitarbeiter den falschen Job macht - einen Job, für den er aufgrund seiner Fähigkeiten nicht geeignet ist oder den er nicht gern macht.

"Das führt zu Burn-out", sagt Fehling. Er sieht die Verantwortung auf beiden Seiten, bei Firma und Mitarbeiter. "Passe ich noch in dieses Unternehmen?", sollten sich die Beschäftigten öfter mal fragen und nicht mehr von einem lebenslangen Verbleib in ein und derselben Firma ausgehen. "Muss ich auch mal andere Wege gehen?"

"Burn-out ist nicht die Folge von zu viel Arbeit, sondern von zu viel entseelter Arbeit", zitiert Claudia Leske, Inhaberin der Akademie für Führung im Wandel, Hamburg, den Sozialpädagogen und Coach Albert Pietzko. Sie plädiert für einen dialogorientierten Führungsstil des Managements - und für mehr Selbstreflexion bei den Mitarbeitern. "Ein Grund, um einer Arbeit nachzugehen, ist eng mit dem Gefühl verbunden, gebraucht zu werden", sagt sie. Auch darum hätten viele Menschen übersteigerte Ansprüche an ihre Arbeitssituation. "Das führt zu Unzufriedenheit und Frustration."

Dass Arbeitnehmer mehr Eigenverantwortung für sich und ihre (psychische) Gesundheit übernehmen müssen, sieht auch Werner Fürstenberg so. "Aber die Unternehmen müssen dafür den Rahmen geben", betont er. "Das ist eine Bringschuld auf beiden Seiten."