An einigen Hochschulen können Frauen im Ingenieurwesen und in der Informatik unter sich bleiben. Sie fühlen sich wohler. Aber lernen sie auch mehr?

Gerade einmal fünf Tage hielt Anne Locker, 23, es in der Männerwelt ihres Studiengangs aus. Dann entschied die angehende Wirtschaftsingenieurin an der Jade Hochschule Wilhelmshaven: "Ich wechsele in den Frauenstudiengang!" Mittlerweile im zweiten Semester, ist sie nach wie vor von ihrer Entscheidung überzeugt: "In dem gemischten Studiengang hätte ich nicht so gute Noten geschrieben", sagt sie, "weil ich mich allein unter Männern dort einfach nicht wohlgefühlt habe."

Das Problem ist aus Statistiken längst bekannt und dennoch nicht so einfach zu beheben. Mädchen bleiben weniger oft sitzen, machen höhere und bessere Schulabschlüsse und brechen seltener ein Studium ab - doch gerade in den klassisch männlich dominierten MINT-Fächern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik sind sie nach wie vor stark unterrepräsentiert.

Abhilfe schaffen sollen Studiengänge, in denen Frauen zum Teil zumindest unter sich bleiben. Fünf Hochschulen bieten diese Möglichkeit an (s. Kasten). "Die sozialen Zugangsbarrieren für Frauen, die an einem ingenieurswissenschaftlichen Studium interessiert sind, sollen langfristig abgebaut werden", erklärt Ulrike Schleier, Professorin für Wirtschaftsingenieurwesen an der Jade Hochschule Wilhelmshaven. "Und zwar durch kontinuierliche Zunahme der Studentinnen."

"Muss man die Frauen vor uns beschützen?", fragten die Männer

Nur ein Viertel der Informatik-Studenten waren im Wintersemester 2009/2010 Frauen. ImWirtschaftsingenieurwesen belief sich der Anteil weiblicher Studenten auf ein Achtel. Eine beträchtliche Lücke, die die Frauenstudiengänge schließen sollen. Das tun sie auch: Gab es vor der Einführung in Wilhelmshaven vor knapp 15 Jahren beispielsweise fünf Prozent Frauen im Ingenieurstudium, waren es in Spitzenjahren bis zu 45 Prozent. Heute hat sich die Quote auf 30 Prozent eingependelt.

Dennoch war gerade zu Beginn die Skepsis gegenüber dem sogenannten monoedukativen Studium groß: "Am Anfang gab es Männer an unserer Hochschule, die waren regelrecht beleidigt, als sie hörten, dass die Frauen jetzt unter sich studieren", erzählt Schleier "'Als müsse man die Frauen vor uns beschützen ...', sagten sie."

Frauen entscheiden sich oft gegen ein "Männerstudium", weil sie Angst haben, sich "allein" nicht gegen die männlichen Kommilitonen behaupten zu können, weil sie meist weniger Vorwissen haben und sich für Fragen in der Vorlesung schämen. "Ein Problem des weiblichen Selbstbewusstseins", sagt Juliane Siegeris, Professorin für Informatik und Wirtschaft an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin. Obwohl alle Studiengänge bei null anfangen, dächten viele Frauen, der Zug sei für sie längst abgefahren, wenn sie sich erst mit 20 für ein Informatik-Studium entschieden - während die künftigen Kommilitonen seit frühster Kindheit am PC sitzen. Um den Studentinnen die Furcht vor dem vermeintlichen Wissensvorsprung der Männer zu nehmen, beginnt deshalb jedes erste Semester im Internationalen Frauenstudiengang Informatik an der Hochschule Bremen mit einer Installationsparty. "Dann bringt jede Studentin ihren Rechner mit und wird von den älteren Studis so lange betreut, bis sie die für das kommende Semester notwendige Software installiert hat", erzählt Professorin Gerlinde Schreiber.

Dass der Studiengang sich dennoch inhaltlich nicht von dem der Männer unterscheidet, ist den Professorinnen wichtig zu betonen. "Schließlich soll es nicht so aussehen, als sei ein Studiengang einfacher oder von der Zielrichtung anders als der andere", sagt Schreiber und fügt hinzu: "Auch im Hinblick auf zukünftige Arbeitgeber." Denn die Befürchtung, dass die Studentinnen durch ihr Frauenstudium einen Nachteil bei den Arbeitgebern hätten, war zur Einführung die größte Sorge.

Unis beenden das Frauenstudium meist nach wenigen Semestern

Eine unberechtigte, wie sich herausgestellt hat. Zwar bekommen in Wilhelmshaven, ob gemischter Studiengang oder nicht, alle Absolventen das gleiche Zeugnis, trotzdem ist das Ansehen der Studentinnen auch bei offensivem Umgang mit ihrer Ausbildung hoch: "Den Arbeitgebern ist doch die Form des Studiums egal", meint Schleier. "Da zählen nur die Fachkenntnisse unserer Absolventinnen."

"Trotzdem gibt es ein großes Hauptargument gegen das Frauenstudium", sagt sie weiter. "Viele meinen, dass die Frauen bei uns nicht lernen würden, sich gegen die Männer durchzusetzen." Zwar sei auch diese Behauptung mittlerweile durch zahlreiche Studien widerlegt worden, dennoch sehen sich die Hochschulen in der Pflicht, zu beweisen, dass sie ihre Studentinnen "nicht in Watte packen". Und lösen auch deshalb das monoedukative Studium nach wenigen Semestern durch gemischte Wahlpflichtkurse oder gänzlich gemischte Studiengänge ab.

So belegen beispielsweise in Bremen alle Studenten nach dem zweiten Semester gemeinsame Wahlpflichtveranstaltungen, absolvieren ein in den Lehrplan fest integriertes Betriebspraktikum und einen Auslandsaufenthalt an einer "normalen" Hochschule. "Auch, damit unsere Studentinnen sehen, dass sie mit ihren Kenntnissen und Fähigkeiten den Männern gegenüber absolut konkurrenzfähig sind", sagt die Bremer Professorin Gerlinde Schreiber.

Anne Locker jedenfalls hat bisher nur positive Resonanz auf ihr Frauenstudium bekommen und auch ihre eigenen Vorurteile schnell über den Haufen geworfen: "Erst hatte ich ja die Befürchtung, dass es in so einer reinen Mädelsgruppe ständig Zickereien gibt, aber die Lernatmosphäre ist wirklich super."

Frauen in Naturwissenschaften