Ein Kommentar von Torsten Schumacher

Leitbilder sind in Mode. Richtig gemacht, können sie einen übergeordneten Bezugsrahmen liefern. Die gängige Praxis der Leitbildentwicklung ist jedoch stark renovierungsbedürftig. Und das aus zwei Gründen: Erstens ist das allgemeine Gefasel in Bezug auf Leitbilder derart lau, dass neun von zehn dieser Werke nicht zu gebrauchen sind. Einige der Klassiker, die in kaum einem Leitbild fehlen, lauten etwa so: "Unsere Mitarbeiter sind unsere wichtigste Ressource", "Wir kümmern uns um jeden Kunden mit voller Aufmerksamkeit", "Wir arbeiten übergreifend zusammen". Das sind Selbstverständlichkeiten. Wenn sich Identifikation oder gar Bindung aus solchen Leitbildern ergeben, hängt die Geburtenrate in Schleswig-Holstein vom Storchenaufkommen ab.

Zweitens werden in Leitbildern genau die Dinge behauptet, die im tatsächlichen Führungshandeln oftmals mit Füßen getreten werden. Etwa: "Wir setzen auf die Selbstverantwortung unserer Leute". Gleichzeitig müssen genau diese Leute bei Ausgaben über 200 Euro um Freigabe bitten. "Bei uns ist Teamarbeit einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren". Hier können wir davon ausgehen, dass Zusammenarbeit in dieser Organisation gerade nicht stattfindet.

Wer dagegen seine Einzigartigkeit im Wettbewerb herausarbeiten möchte, der sollte sich ernsthaft mit tiefergehenden Fragen beschäftigen. Zu ihnen gehören: In welchem Teil unserer Wertschöpfungskette unterscheiden wir uns am stärksten vom Durchschnitt? Warum kaufen unsere Kunden bei uns? Was sind die fundamentalen Paradigmen, die keiner bei uns mehr infrage stellt? Wer diese Fragen beantwortet, hat die Chance, ein Leitbild zu entwickeln, das wirklich einen Unterschied macht. Aber seien Sie gewarnt: Das ist deutlich anstrengender als Allgemeinplätze mit Wohlfühlfaktor abzusondern.

Dr. Torsten Schumacher ist Unternehmensberater und Bestseller-Autor. Mehr im Internet unter www.schumacherbaumanns.com