Nichts ist wirklich planbar: Personalentwickler Jens Braak plädiert dafür, eine innere Unabhängigkeit zu entwickeln

Erfolgreich ist, wer in der Lage ist, auf Zufälle zu reagieren und diese für sich zu nutzen, glaubt Coach und Chaosforscher Jens Braak. Karrierepläne, Erfolgsstrategien und Zielvorgaben dagegen führen allein nur selten zum Erfolg. Braak plädiert für ein Chancenmanagement, das den Zufall einbindet.

Abendblatt:

Wie sind Sie Personalentwickler geworden - aus Zufall?

Jens Braak:

Ich würde sagen, das hat sich natürlich entfaltet. Ich habe vieles ausprobiert, und es gab natürlich auch viele Zufälle: Mit welchen Kunden arbeitet man zusammen, wer empfiehlt für welche Projekte weiter, wo ist gerade Bedarf ... Das sind doch fast immer Zufälle. Es hätte auch sein können, dass ich im sozialen Bereich tätig geworden wäre, hätte vor 15 Jahren der erste Kunde diesen Bedarf signalisiert. Aber meine Gesprächstrainings wurden hauptsächlich von Führungskräften besucht, und die brachten Themen mit, die mehr ans Eingemachte gingen. Daraus ergab sich das erste Coaching, in gewisser Weise ein Zufallsprodukt.

Man kann die Zukunft nicht vorausberechnen, sagen Sie. Das ist doch eine Einladung, die Hände in den Schoß zu legen.

Braak:

Das ist aber so nicht gemeint. Viele Leute glauben, dass sie mit tollen Strategien erfolgreich werden. Denen entgegne ich: Das könnt ihr ein für allemal vergessen! Es gibt schließlich auch Entwicklungen, für die ich überhaupt nichts kann - seien es positive Begegnungen oder Schicksalsschläge. Wenn aber immer wieder zufällige Begegnungen eine Rolle spielen, dann kann man sich ja überlegen, wie man sie nutzen kann, statt sie krampfhaft zu vermeiden. Es geht darum, einen Blumenstrauß an Möglichkeiten zu erzeugen.

Wie geht das? Was sollte beispielsweise ein Arbeitssuchender tun?

Braak:

Jemand, der auf Jobsuche ist, kann auf drei Ebenen neue Chancen erzeugen. Zum einen durch die Pflege und Erweiterung seines Netzwerks, zum anderen durch seine persönliche Weiterbildung. Die dritte Ebene, auf der er sich bewegen sollte, nenne ich "Erfinden auf Vorrat". Ich meine, jeder braucht einen kleinen Erfinder im Hinterkopf, der ganz frei ist von der Frage nach der Realisierbarkeit seiner Ideen. Das gilt übrigens genauso fürs Netzwerken und Lernen: Wir brauchen Offenheit, um den Zufall für uns nutzen zu können.

Stichwort Netzwerken. Macht das Agieren bei Facebook, Xing und in anderen sozialen Netzwerken zufällig auch erfolgreich?

Braak:

Soziale Netzwerke geben neue Kontaktflächen. Es heißt ja, die richtigen Menschen zu kennen, sei ein Schlüssel zum Erfolg. Aber wer die richtigen Menschen sind, weiß ich ja immer erst im Nachhinein. Daher sind Freunde, Geschäftspartner und Netzwerke wichtige Zufallsgeneratoren.

Sie haben zum Thema Chancenmanagement erfolgreiche und prominente Menschen aus Kultur und Wirtschaft interviewt. Was zeichnet diese Personen aus?

Braak:

Es sind Menschen, die offen sind für den Zufall. Sie verfügen über eine gewisse innere Unabhängigkeit. Sie fühlen sich - wie eine Gesprächspartnerin es formulierte - von einer Welle getragen. Es lohnt sich daher, an einer solchen inneren Haltung zu arbeiten. Dann geht man nicht nur gekonnt mit dem Zufall um, sondern wird auch gelassener dem persönlichen Lebensweg gegenüber - egal ob man gerade einen Erfolg feiert oder eine Niederlage verarbeiten muss.

Sind denn all die Erfolgsratgeber damit überflüssig?

Braak:

Auf keinen Fall - solange sie nicht als Glücksgaranten missverstanden werden. Ich finde es sogar sehr wichtig, sich über die eigene Position und eine gekonnte Selbstvermarktung Gedanken zu machen. Aber zu glauben, wenn ich das mache, bin ich automatisch erfolgreich, das ist naiv. Und es erzeugt zudem unnötigen Druck. Wenn man den Zufallstreffer ernst nimmt, bekommt man ein anderes Verhältnis zu Rückschlägen, als wenn man glaubt, durch die einzig wahre Erfolgsstrategie vorankommen zu müssen.

Sie sind studierter Physiker. Was hat Ihre Botschaft mit Physik und der Chaosforschung zu tun?

Braak:

Die Idee, die Zukunft sei berechenbar, haben Physiker wie Isaac Newton im 17. Jahrhundert geprägt - und das mit nachhaltigem Erfolg. Im 20. Jahrhundert räumte die Chaosforschung mit dieser Mär auf. Die Forscher belegten, dass sich noch nicht einmal die Bewegung eines Pendels mit zwei Gelenken vorausberechnen lässt. Wenn schon die exakt arbeitende Physik zu diesem Schluss kommt, sollten wir erst recht sehr viel vorsichtiger mit Prognosen sein. Die Entwicklung von Wirtschaftssystemen oder auch die persönliche Karriere vorhersagen zu wollen, ist ein Machbarkeitswahn.