Bewerber sollten Vertrag und Firma prüfen und im Vorstellungsgespräch kritisch die Bedingungen hinterfragen

Die Meinungen über die Branche gehen auseinander. Die einen preisen die Zeitarbeit als Sprungbrett zu interessanten Jobs. Die anderen kritisieren die schlechte Bezahlung und eine Zweite-Klasse-Behandlung in den Firmen.Im Gespräch ist derzeit vor dem Hintergrund einer drohenden Prozesslawine über Lohnnachzahlung mehr denn je "Equal Pay".

Fest steht, immer mehr Menschen sind in der Zeitarbeit beschäftigt. Nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaft (IW) gab es im Dezember 2010 rund 877 000 Zeitarbeitnehmer in Deutschland. Zum Vergleich: Anfang 2004 waren es noch knapp 300 000 Beschäftigte.

Ob direkt nach der Ausbildung oder als Wiedereinstieg: "Zeitarbeit bietet viele Möglichkeiten", sagt Knut Böhrnsen, Sprecher der Agentur für Arbeit. "Außerdem werten die verschiedenen Einsätze den Lebenslauf auf. Man sammelt Erfahrungen, beweist Flexibilität und Engagement." Böhrnsen rät jedoch allen, die nicht dauerhaft in der Zeitarbeit bleiben möchten, sich parallel bei anderen Betrieben zu bewerben. "Die Übernahmequote bei den Einsätzen fällt kleiner aus, als viele denken."

Das zeigt eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) vom Sommer 2010. Danach bleiben nur sieben Prozent aller vorher arbeitslosen Zeitarbeiter nach Auslaufen der Verträge dauerhaft in regulärer Beschäftigung. "Leiharbeit ist keine breite Brücke, aber ein gangbarer Weg", sagt Florian Lehmer, Mitverfasser der Studie beim IAB. Denn die Beschäftigungschancen würden sich gegenüber weiterer Arbeitslosigkeit spürbar erhöhen. Zu ähnlichen Schlüssen kommt auch eine Studie der Bertelsmann Stiftung. "Bei hoch Qualifizierten fallen die Übernahmechancen deutlich höher aus", sagt Damienne Cellier, Betriebsratsvorsitzende für die Region Nord bei Randstad.

Ohnehin wehren die Branchenvertreter ab. "An der Übernahmequote wollen wir uns nicht messen lassen", sagt Michael Wehran, Sprecher beim Bundesverband Zeitarbeit (BZA). Man sehe sich als eigenständige Branche mit Unternehmen, die Geld in Weiterbildung investieren und Mitarbeiter langfristig halten wollen.

Umso wichtiger ist es, Firma und Arbeitsvertrag zu prüfen. Grundsätzlich brauchen Zeitarbeitsfirmen eine Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Überlassung von Arbeitnehmern von der jeweiligen Regionaldirektion der Arbeitsagentur. Die Mitgliedschaft im BZA oder dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (IGZ) geben einen weiteren Hinweis auf Seriosität. "Unsere Mitglieder haben eine Lizenz, wenden einen Tarifvertrag an, und wir haben sie über eine Wirtschaftsauskunftei überprüft", sagt BZA-Mann Wehran. Zudem sollte der Bewerber sich nicht scheuen, im Vorstellungsgespräch Fragen nach Arbeitszeitmodellen, Überstundenvergütung, Weiterbildung, Einsatzmöglichkeiten und Kunden zu stellen.

"Für den gewerblichen Bereich gilt, genau bei der Arbeitssicherheit hinzusehen", sagt Betriebsratsvorsitzende Cellier. Wer die Arbeitskleidung aus eigener Tasche zahlen soll oder das billigste Paar Sicherheitsschuhe bekommt, könne auch sonst nicht viel erwarten. Auch wenn im Arbeitsvertrag auf mehrere Tarifverträge verwiesen wird, müssen die Alarmglocken schrillen. "So hält sich die Firma die spätere Bezahlung offen", sagt Cellier. Eine gute Basis hingegen seien Verträge mit DGB-Tarifen.

Wenn es hart auf hart kommt, zählt der Vertrag. "Grundsätzlich sind viele Punkte verhandelbar", sagt Betriebsrätin Cellier von Randstad.Dabei gelte: Je besser die Qualifizierung, desto besser die Position. Ungelernte Bewerber hätten kaum Verhandlungsspielraum. Kaufleute, Facharbeiter, Ingenieure oder andere Akademiker hingegen gute Voraussetzungen, den Vertrag teilweise zu ihren Gunsten zu gestalten.

"Fahrgeld oder Verpflegungszuschläge gewährt kaum ein Unternehmen pauschal", sagt Cellier. Man könne aber versuchen, Einzelvereinbarungen für bestimmte Kunden zu treffen. Auch eine höhere Entlohnung für auswärtige Einsätze sei denkbar.

Ein vertraglicher Zusatz für andere Bereiche kann sinnvoll sein. So ist das Einsatzgebiet keinesfalls auf Hamburg und Umgebung beschränkt. "Mitarbeiter sind je nach Vertrag bundesweit einsetzbar", sagt Cellier. Und die Arbeitszeit ist zwar meist auf Montag bis Freitag festgeschrieben, kann aber an das Aufkommen angepasst werden. Ist vertraglich nichts anderes festgelegt, "heißt das bei Bedarf auch an Wochenenden oder in Schichten", sagt Cellier.

"Wichtig ist, unbedingt im eigenen Fachbereich zu bleiben, sonst besteht die Gefahr einer Dequalifizierung", sagt Agentursprecher Böhrnsen. Auch dies ist keinesfalls selbstverständlich. "Die Mitarbeiter von Zeitarbeitsfirmen sind grundsätzlich verpflichtet, alle Stellen anzunehmen", sagt Cellier. So könne ein Kaufmann unter Umständen vorübergehend im Lager eingesetzt werden. Die Entlohnung bleibe dann jedoch die gleiche wie für den Bürojob. "Kaufleute können versuchen, gewerbliche Einsätze vertraglich auszuschließen", sagt Cellier. Wer sich hingegen bei einem bestimmten Kunden nicht wohlfühlt, ist vom Disponenten abhängig.