Er will verstehen, warum Verkehr ins Stocken gerät, und entwickelt Lösungen.

Wenn im Norden Ferien beginnen, rollt wieder eine Blechlawine über Deutschlands Autobahnen gen Süden. Was den einen ein Ärgernis, finden andere spannend: Stauforscher Michael Schreckenberg zum Beispiel. "Staus sind etwas ganz Natürliches", sagt der 54-Jährige. "Sie treten überall in der Welt und auch im Tierreich auf. Denken Sie nur an die Wasserstellen Afrikas, an denen sich oft Tausende Tiere stauen."

Schreckenberg hat an der Uni Köln Theoretische Physik studiert. 1985 promovierte er. Seit 1997 hat er an der Uni Duisburg-Essen den bundesweit einzigen Lehrstuhl für "Physik von Transport und Verkehr" inne.

Stauforscher arbeiten daran, Verkehrsströme zu modellieren, zu simulieren und zu optimieren - vom Pendlerstau bis zu den Wanderungen der Pilger in Mekka. Besonders achtet Forscher Schreckenberg dabei auf den Einfluss menschlichen Verhaltens. Das interdisziplinäre Arbeiten sei es auch, das seinen Beruf so facettenreich mache.

Ein Physik- oder ein Informatikstudium sind gute Voraussetzungen, um zum Stauforscher zu werden - aktuell sucht Schreckenberg zum Beispiel einen solchen Absolventen als wissenschaftlichen Mitarbeiter. Ein Trendberuf ist Stauforscher allerdings noch lange nicht: Die Zahl der Jobs an Hochschulen und in Unternehmen ist gering.

Mit einem Kollegen hat Michael Schreckenberg ein mathematisches Konzept aus der Biologie auf den Verkehr übertragen: Mit diesem 1992 veröffentlichten Nagel-Schreckenberg-Modell ließ sich erstmals der Stau aus dem Nichts erklären - nämlich als eine Folge von Überreaktionen der Fahrer. Sie treten selbst auf die Bremse, sobald sie die Bremsleuchten eines vorausfahrenden Fahrzeugs aufleuchten sehen. Eine wichtige Erkenntnis, denn: Ein dreistündiger, vier Kilometer langer Stau über zwei Spuren verursache einen volkswirtschaftlichen Schaden von 100 000 Euro, erklärt der Professor.

Das beeindruckte auch das nordrhein-westfälische Verkehrsministerium: Mittlerweile hat der Wissenschaftler gemeinsam mit dem Land NRW ein System aufgebaut, mit dem der Verkehr auf dessen Autobahnen überwacht wird. Mehr als 4500 Induktionsschleifen messen ununterbrochen die Anzahl der Fahrzeuge und ihre Geschwindigkeit. So prognostiziert das System bis zu einer Stunde im Voraus und mit fast 90-prozentiger Sicherheit Verkehrsengpässe ( www.autobahn.nrw.de ).

Doch trotz übereifriger Bremser: Die grundlegende Ursache für die Entstehung von Staus ist die Überlastung der Straßen. Wenn mehr als 1800 Fahrzeuge pro Spur und Stunde auf der Autobahn unterwegs sind, sei zähflüssiger Verkehr programmiert, sagt Michael Schreckenberg. Bleibt ein Fahrer dann stehen, entsteht eine rückwärtsfließende Stauwelle. "Somit sind es fast immer Einzelpersonen, die Staus auslösen." Weitere Ursachen für Staus seien Unfälle, Baustellen und schlechte Wetterbedingungen.

Auch für die Staus im Elbtunnel seien in erster Linie die Fahrer verantwortlich, hebt der Forscher hervor. "Geht es aufwärts, werden viele Fahrer langsamer. Sie sind einfach zu faul, um die Fußstellung auf dem Gaspedal zu ändern", verrät er mit einem Schmunzeln. Fährt Schreckenberg selbst mit dem Auto in den Urlaub, bringt er seine ganz eigene Anti-Stau-Strategie zum Einsatz: um zwei Uhr in der Früh starten, wenn das Verkehrsaufkommen noch harmlos ist.