Führungswissen aus dem Kinderland: Was Manager beim Bauen mit Lego, vom Zauberwürfel oder bei Brettspielen für ihren Job lernen können

Hamburg. Motorisierter Raupenbagger mit Doppel-Infrarotsteuerung und Power-Funktionen aus 1123 Lego-Bauteilen. 7,3 Meter Carrera-Rennbahn mit Doppellooping und Steilkurve inklusive zwei Formel-1-Boliden mit Turbo-Booster. Solche Geschenke liegen heute unter den Weihnachtsbäumen in norddeutschen Wohnzimmern. Und sie bringen keineswegs nur Kinderaugen zum Strahlen, sondern vor allem die der Väter. Sie erfüllen sich selbst so manchen Kindheitstraum mit den Geschenken für ihren Nachwuchs - und spielen natürlich begeistert mit.

Mütter sind da meistens zurückhaltender. Doch die dreistöckige Traumvilla mitsamt pinkem Cabrio für Barbie und Ken oder das ökologisch korrekte Puppenhaus aus honiggewachstem Naturholz wecken auch bei ihnen schöne Erinnerungen.

Doch das vom weihnachtlichen Lichterglanz erweckte Kind in uns ist keineswegs nur nostalgisch. Denn Spielen ist mehr als Spaß und Entspannung. "Während wir auf einer Werkbank aus Plastik hämmerten, mit Matchbox-Autos Rennen fuhren oder unser Puppenbaby in den Schlaf wiegten, haben wir intuitiv Lektionen gelernt, die uns auf das spätere Leben vorbereitet haben", erklären die beiden Managementberater Ron Hunter Jr. und Michael E. Waddell in ihrem Buch "Spielend führen lernen" (Wiley Verlag, 16,90 Euro).

Wissenschaftler sind sich einig, dass geeignete Spiele auch bei Erwachsenen die Intelligenz, Sozialentwicklung, Konzentration, motorischen Fähigkeiten und Kreativität fördern.

Das vielleicht eindeutigste Beispiel dafür ist der legendäre Zauberwürfel, den der damals 29-jährige ungarische Architekturprofessor Ernö Rubik 1974 erfunden hat. Es gibt mathematisch immerhin 43 252 003 274 489 856 000, kurz gesagt mehr als 43 Trillionen mögliche Drehbewegungen für den Würfel, aber nur eine Lösung. Trotz der riesigen Zahl lässt sich jeder Zauberwürfel mit 27 Bewegungen so ordnen, dass jede Seite nur eine Farbe zeigt.

Der Zauberwürfel lehrt: Wer die Dinge korrekt erledigt, schafft Ordnung

"Man muss nur die richtigen Züge kennen, denn es gibt weder Abkürzungen noch vereinfachte Wege. Es gibt nur falsche und richtige Züge", erklären Hunter und Waddell. Die Botschaft des Würfels: Erledigt man die Dinge korrekt, schafft man Ordnung, tut man das Falsche, entsteht Chaos. Richtlinien in Unternehmen mögen sich ändern, doch die Prinzipien von Recht und Unrecht niemals. "Die Führungskraft ist die Lösung des ungeordneten Würfels. Sie schafft Ordnung in der Organisation. Gleichgültig, wie durcheinander der Würfel manchmal erscheint, das Endziel des geordneten Würfels mit je einer Farbe auf den sechs Seiten bleibt bestehen. Sie als Führungskraft müssen dafür als moralischer Katalysator fungieren", so die beiden Autoren.

Als weitere Beispiele für Führungswissen aus der Spielzeugkiste nennen Hunter und Waddell das Schaukelpferd, Spielzeugsoldaten und das Jo-Jo an. Das Jo-Jo, ein uraltes Spielgerät, sei ein Symbol dafür, dass Kreativität nur fließe, wenn man loslässt: "Damit ein Jo-Jo gut funktioniert, müssen vier Voraussetzungen erfüllt sein, und diese Voraussetzungen gelten auch für den kreativen Prozess: loslassen, sich drehen, zurückkehren und sich neu aufwickeln. Wenn Sie diese Prinzipien befolgen, werden Sie Ihr kreatives Potenzial vollständig freisetzen - und auch das Ihrer Mitarbeiter."

Ein Schaukelpferd zeigt, dass Aktivität nicht mit Effizienz gleichzusetzen sei - nach dem Motto: viel Geschaukel, aber nichts dahinter. Und wer einmal Jungs beobachtet hat, die akribisch ihre Spielzeugsoldaten positionieren, erkennt, dass in der richtigen strategischen Aufstellung der eigenen Ressourcen der Schlüssel zum Erfolg liegt. Das gilt im Übrigen auch für Brettspielklassiker wie "Risiko", "Stratego" oder gar "Schach". "Wer sich mit solchen Spielen intensiv befasst, schult in jedem Fall sein strategisches Denken - und entspannt sich nebenbei spielerisch und in Gesellschaft lieber Menschen vom Arbeitsalltag", sagt der Hamburger Managementberater Manfred Klapproth.

Unternehmensberater kommen mit einem Koffer voller Legosteine

Inzwischen hat auch die Spielwarenindustrie die neue Zielgruppe entdeckt. Lego zum Beispiel wirbt derzeit massiv in Wirtschaftsmagazinen für besagten Raupenbagger. "Weil Männer Spuren hinterlassen wollen", lautet der Slogan der Anzeigenmotive.

Der dänische Bausteingigant hat Erfahrungen mit der adulten Kundschaft. Seit einigen Jahren haben auch Unternehmensberater Koffer mit bunten Bausteinen dabei. Lego Serious Play heißt das Personalentwicklungskonzept. "In einem moderierten Prozess werden die Vorzüge des Spiels und des Modellierens mit Legosteinen genutzt, um Strategie-, Problemlösungs- und Teamprozesse in Gang zu setzen oder zu verbessern", erklärt Mathias Haas, zertifizierter Trainer für die Lego-Methodik in Stuttgart.

Bei Kunden wie Canon, Johnson & Johnson, Nissan, Océ oder der Mercedes-Benz Bank versetzt Haas Gruppen von bis zu zehn Managern in die Kindheit zurück, um mit den Legosteinen ihre Unternehmenswelt zu modellieren: "Entscheidend dabei ist erstens, dass die Teilnehmer durch die manuelle Tätigkeit komplexe Dinge schneller und buchstäblich begreifen. Zweitens kommt das ganze Wissen der Gruppe ohne hierarchischen Dünkel zum Tragen, weil jeder erklären muss, was er gebaut hat. Und wenn ein gemeinsames Modell entsteht, sind von jedem Teilnehmer Teile drin - das schafft Transparenz und schweißt zusammen. Entscheidungen werden von allen Beteiligten mitgetragen", sagt Haas. Ein Grund mehr, mal wieder zu spielen.