Es muss nicht immer Hamburg, Berlin oder München sein. Interessante Arbeitgeber gibt es auch auf dem flachen Land

Hamburg. Hamburg oder Berlin sind in, Harsewinkel oder Büdelsdorf sind far out - und zwar nicht nur geografisch, sondern auch auf der Beliebtheitsskala der meisten Absolventen. Wer bewirbt sich nach dem Studium schon in der tiefsten deutschen Provinz?

In Harsewinkel, einer ostwestfälischen Kleinstadt mit 24 000 Einwohnern, heißt der Grund zum Beispiel Claas. Seit mehr als 70 Jahren produzieren dort gut 3000 Mitarbeiter des börsennotierten Familienunternehmens Mähdrescher. Weltweit beschäftigt Claas mehr als 9000 Menschen.

Auch das schleswig-holsteinische Büdelsdorf bei Kiel boomt: Jeden Tag fahren mehr als 3500 Pendler in den 10 000-Seelen-Ort am Nord-Ostsee-Kanal, denn Büdelsdorf ist Hauptsitz des Mobilfunkers Freenet und der ACO Gruppe. ACO gilt als Weltmarktführer in der Entwässerungstechnik.

Viele Bewerber übersehen die "Hidden Champions" in ländlichen Regionen

Zwei von drei erfolgreichen Mittelständlern sitzen in der Provinz. Obwohl viele zu den Marktführern zählen, ertrinken sie kaum in Bewerbungen: Ein ländlicher Standort ist im Wettbewerb um gute Fachkräfte ein klarer Nachteil. "Wirtschaftlich haben die Leute Schleswig-Holstein nicht auf dem Radar. Damit verbinden die meisten schlechtes Wetter und Bauernhöfe, aber nicht internationale Industrieunternehmen", sagt ACO-Geschäftsführer Peter Fröhlich. 40 Fachkräfte will er in den kommenden Monaten im Norden neu einstellen - die meisten mit Diplom oder Mastertitel. Deutschlandweit hat das Unternehmen zurzeit sogar 100 Positionen zu besetzen.

Hidden Champions eine Chance zu geben lohnt sich. Wichtiger als gute Noten einer Spitzen-Uni sind dort erste praktische Erfahrungen. Der Mittelstand sucht Generalisten. Unternehmen inserieren in Internetportalen, außerdem auf der eigenen Website. Auch die Seiten der regionalen IHKs oder der Landeswirtschaftsministerien lohnen sich für Jobsuchende.

Wer in die Provinz geht, kann meist attraktive Umzugspakete aushandeln. In Büdelsdorf hilft ACO bei der Haus- oder Wohnungssuche. Günstige Mieten zählen dabei zu den Vorzügen des Landlebens. "Fußballspielen im eigenen Garten stellt hier kein Problem dar", erzählt Peter Fröhlich. Auf einen Provinzzuschlag dürfen Berufseinsteiger jedoch nicht hoffen. Die Neuen sollen in ihrer neuen Umgebung schnell heimisch werden. After Work Partys, Stammtische und Sportgruppen helfen dabei, Kontakte zu den Kollegen zu knüpfen. Bei Claas ist ein Auslandsaufenthalt fester Bestandteil des Traineeprogramms. Auch bei ACO sind internationale Karrieren durchaus üblich: Jüngst erst war der indische Konstruktionschef des Entwicklungszentrums in Bangalore für ein halbes Jahr in Büdelsdorf.

Gerade für berufstätige Paare kann der Umzug in die Provinz jedoch problematisch sein. Inzwischen änderten sich zwar die Rollenmuster von Männern und Frauen, bei der Wahl der Studiengänge gäbe es aber nach wie vor klare geschlechtsspezifische Unterschiede, sagt Katrin Stefan, Professorin für Volkswirtschaft an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen.

Arbeitgeber unterstützen oft auch die Partner ihres Neulings bei der Jobsuche

Sprich: Frauen möchten ihre eigene Karriere verfolgen, doch wo soll eine Kunsthistorikerin, TV-Journalistin oder Sozialökonomin arbeiten, die mit ihrem Maschinenbau-Ingenieur aufs platte Land zieht? Wer keine Wochenend-Beziehung führen möchte, sollte die Bereitschaft des Partners zu einem Ortswechsel rechtzeitig abklären. Im Vorstellungsgespräch ist es erlaubt, auch über Karriere-Unterstützung für den Partner zu sprechen.

"Im Rahmen unseres Dual Career Services in Ostwestfalen haben wir ein hervorragendes Informationssystem. Viele Unternehmen in der Region haben ähnliche Rekrutierungsanforderungen wie wir, zum Beispiel Bertelsmann, Miele, Dr. Oetker oder Melitta", sagt Anja Schladitz, Leiterin Personalentwicklung bei Claas. Vom intensiven Austausch der Personalabteilungen profitieren beide Seiten: Die Ehepartner erfahren von passenden Stellen und die Unternehmen unter Umständen von qualifizierten Kandidaten. Es lohnt sich also, das Netzwerk des neuen Arbeitgebers anzuzapfen, wenn es dann wirklich heißt: Ab in die Provinz.