Voll im Leben - trotz Behinderung. Sönke Caruso hat Parkinson. Er bildet angehende Informatiker aus

Hamburg. "Es gibt keine dummen Fragen, nur dumme Antworten", sagt Sönke Caruso. Das sei sein Grundsatz. Und von den dummen Antworten versuche er möglichst wenige zu geben, fügt der 42-Jährige schmunzelnd hinzu. Der Weiterbildungsassistent am Berufsförderungswerk (BFW) Hamburg mag es, zu unterrichten. "Das ist mein persönlicher Ehrgeiz: dass unseren Teilnehmern an den IT-Schulungen ein Licht aufgeht, am besten ein ganzer Kronleuchter."

Sönke Caruso hat Parkinson - wie der Schauspieler Michael J. Fox. "Er ist mein Vorbild", sagt Caruso. "Weil er offensiv mit seiner Krankheit umgeht."

Die linke Hand muss der rechten viele Aufgaben abnehmen

Die Entdeckung der Langsamkeit nennt der gebürtige Lübecker seine Krankheit. Durch das Zittern seiner rechten Hand braucht er für viele Tätigkeiten länger als früher. Anfangs habe er versucht, seine kranke Seite besonders zu fordern. "Aber das hat nichts gebracht, also habe ich es hingenommen, dass die linke Hand mehr Aufgaben übernimmt."

Als Energieanlagenelektroniker - seinem ersten Lehrberuf - hatte er in der Montage im Maschinenbau gearbeitet, als vor fünf Jahren die Schwierigkeiten mit seiner Hand auftraten. "Vor allem beim Schrauben drehen hat sich das bemerkbar gemacht", erinnert sich Sönke Caruso. "Bestimmte Bewegungen waren eingeschränkt. Und bei Stress fing ich an zu zittern."

Sein Hausarzt hatte schnell die richtige Vermutung. Nach zahlreichen Untersuchungen beim Neurologen bestätigte der den Verdacht: Parkinson. "Das mag einem Außenstehenden verrückt erscheinen, aber ich war irgendwie erleichtert, als ich die Diagnose bekam. Dadurch wusste ich endlich, was es ist." Er bekam Tabletten und anfangs auch Ergotherapie. "Ich hatte noch Glück. Wenn ich andere Betroffene höre, die machen eine echte Odyssee durch, bis sie die richtige Diagnose bekommen." Einige dieser Geschichten hat er bei Treffen der Deutschen Parkinson Vereinigung gehört. "Ich habe es vor zwei Jahren mal versucht, an einer Selbsthilfegruppe teilzunehmen. Aber das hat mich eher runtergezogen als aufgebaut." Also ließ er es wieder.

Als Elektroniker konnte Sönke Caruso nicht weiterarbeiten. Stattdessen kam er auf eine Leidenschaft aus seiner Schulzeit zurück: Computer. In Absprache mit der Rentenversicherung, die die Finanzierung übernahm, begann er am BFW in Farmsen eine Umschulung zum Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung. "In zwei Jahren haben wir den Stoff gelernt, der in einer normalen Ausbildung in drei Jahren vermittelt wird", erzählt der 42-Jährige. Der Lohn für all die Mühe blieb indes erst einmal aus: Anderthalb Jahre lang war Sönke Caruso arbeitslos. "Bei 100 Bewerbungen habe ich aufgehört zu zählen", sagt er. Gar nicht selten wurde er zu Bewerbungsgesprächen eingeladen. "Dabei habe ich dann immer offenbart, warum ich schwerbehindert bin. Ich wollte mit offenen Karten spielen." Und dann seien regelmäßig die Absagen gekommen.

Seine Ausbilder von früher sind heute seine Kollegen

Mitte 2009 endlich der erlösende Anruf: Die Ausbilder am BFW brauchten Unterstützung. Und sie hatten sich daran erinnert, dass Caruso schon in seiner eigenen Ausbildung anderen Teilnehmern, die nicht weiterkamen, den Stoff gut erklären konnte. "Ich arbeite gern mit bildhaften Vergleichen", sagt er. Selbst zu Bierkästen habe er schon gegriffen, um Themen plausibel zu machen - imaginären natürlich.

Seit mehr als einem Jahr ist Caruso jetzt beim BFW in Farmsen tätig und unterrichtet Teilnehmer, die Fachinformatiker, IT-Elektroniker oder IT-Kaufmann werden wollen. Parallel besucht er eine Fortbildung zum Aus- und Weiterbildungspädagogen. In seiner Freizeit singt Caruso - nomen est omen - im Chor "Liederlich". Oder er fotografiert: "Am liebsten Gesichter. Darum mache ich hier im Haus inzwischen auch die Bewerbungsbilder."

Leider sei sein Vertrag aber nur befristet. Für die Zukunft wünscht er sich darum wieder eine langfristige berufliche Perspektive. "Und einen milden Krankheitsverlauf."