Voll im Leben - trotz Behinderung. Jürgen Schuldt, 56, arbeitet bei der Feuerwehr des Flughafens

"Wenn man sich gehen lässt, ist man schnell weg vom Fenster", sagt Jürgen Schuldt. Er ist ein Typ, der lieber nach vorne schaut, als über Zurückliegendes zu grübeln - wie etwa über seine Krebserkrankung. Vor zwei Jahren wurde er an der Prostata operiert.

"Natürlich bin ich erst mal in ein gewaltiges Loch gefallen", gesteht der heute 56-Jährige ein. Und auch für seine Frau und die beiden erwachsenen Töchter sei das ein Schock gewesen. "Man hört immer von solchen Geschichten, aber denkt doch nie, dass es einen selbst treffen könnten." Und hinzu kam die Sorge, wie der Arbeitgeber reagiert. "Ich hatte in meinem Alter jedenfalls keine Ambitionen mehr, den Job zu wechseln", sagt Jürgen Schuldt.

Keine 24-Stunden-Schichten mehr, kein aktiver Einsatz bei Notfälle n

Der Wachabteilungsleiter bei der Feuerwehr am Airport Hamburg hatte Glück: "Der Flughafen hat wirklich gut reagiert", sagt er. "Sie haben mir ohne Probleme eine Tagesstelle auf der Wache angeboten." Sein Job ist dadurch ein anderer geworden: keine langen 24-Stunden-Schichten mehr, kein aktiver Einsatz bei Notfällen.

"Das war anfangs schon hart", erinnert sich Jürgen Schuldt. "Wenn bei einem Alarm die Kollegen ausgerückt sind - und ich hier oben von meinem Büro aus zugucken musste." Und das nach 28 aktiven Jahren bei der Feuerwehr. Aber daran hat er sich inzwischen gewöhnt. "Dann gehe ich bei einem Einsatz eben zum Telefonisten und gucke, wie ich ihn unterstützen kann."

Durch die Erfahrung sei er aufmerksamer geworden

Zu Jürgen Schuldts Aufgaben gehört heute vor allem Büroarbeit. "Ich schreibe zum Beispiel Wachberichte, mache Stundenlisten und Urlaubspläne, kümmere mich um Bestellungen", erklärt Schuldt, den die rund 80 Kollegen in der Feuerwache alle nur "Fiete" rufen. "Ich bin ein bisschen 'das Mädchen für alles'", sagt Schuldt schmunzelnd. Und auch ein Ratgeber für die jüngeren Kollegen. Viele von ihnen sind um die 30. Seit seiner Erkrankung ist er ein besonders guter Zuhörer. "Man setzt andere Prioritäten und wird durch so eine Erfahrung aufmerksamer", findet Jürgen Schuldt. "Ich sage inzwischen öfter mal: 'Setz dich hin und erzähl erst mal!'"

Von Anfang an sei er ganz offen mit seiner Erkrankung umgegangen, sagt der 56-Jährige. "Das hilft mir selbst auch", ist er überzeugt. Und vielleicht sogar seinen Kollegen. "Nachdem ich damals hier von meiner Krebserkrankung erzählt habe, hatte der Betriebsarzt ganz besonders viele Feuerwehrleute zum PSA-Test in der Sprechstunde." Mit diesem Test lässt sich Prostatakrebs frühzeitig erkennen. Zum Glück habe niemand einen positiven Befund erhalten. Für Schuldt selbst ist es inzwischen fast Routine, sich testen zu lassen. Alle Vierteljahr geht er zur Nachuntersuchung, ab 2011 nur noch halbjährlich. "Bei den ersten Untersuchungen war ich ein bisschen unruhig, aber inzwischen sehe ich das recht locker." Die Werte seien immer gut.

Wer einmal schwer krank war, lebt danach intensiver, glaubt Schuldt

Mit 60 will er dank einer Altersteilzeitregelung in den Ruhestand gehen. "Vor allem möchte ich dann mehr mit meiner Frau unternehmen", sagt der Bad Bramstedter. "Radtouren durch Schleswig-Holstein zum Beispiel." Oder Motorradfahren: Zu seinem 50. Geburtstag hat er sich einen kleinen Chopper gegönnt.

Aber bis zur Rente sind es noch ein paar Jahre. Und die will er mit Spaß und Elan durcharbeiten. Dass Arbeitgeber Menschen, die nach einer Erkrankung behindert bleiben, misstrauisch gegenüberstehen, kann er nicht verstehen. "Ich kann Firmen nur raten, solche Leute zu behalten", sagt Schuldt. Auf einem anderen Arbeitsplatz, wenn nötig. "Aber wer so etwas erlebt hat, der lebt intensiver und arbeitet auch intensiver", ist er überzeugt. "Wenn man nach so einer Erfahrung wieder auf die Beine kommt, kniet man sich wirklich voll rein." Schuldts Wunsch für die Zukunft: "Ich will genauso lange Rente kriegen, wie ich eingezahlt habe", sagt er und lacht. "Jopi Heesters lässt grüßen."