Voll im Leben - trotz Behinderung. Wie offen Bewerber mit ihrem Handicap umgehen

Eine gute Bewerbung zu schreiben ist schon schwer genug. Wie stelle ich meine Fähigkeiten richtig heraus? Wie zeige ich, dass ich zu der Firma passe? Wie komme ich sympathisch rüber? Wer als Behinderter auf Jobsuche ist, steht vor noch einer Frage: Spreche ich mein Handicap in der Bewerbung an?

"Die meisten Menschen haben ja keine offensichtliche Behinderung", sagt Werner Weiler, Berater beim BFW Vermittlungskontor unter dem Dach des Berufsförderungswerks Hamburg. "Dann bietet es sich an, in den Bewerbungsunterlagen erst mal nichts davon zu schreiben. Anders liege der Fall, wenn es sich um eine offensichtliche Behinderung handelt, betont Weiler. Dann könnte ein abschließender Satz im Anschreiben zum Beispiel lauten: "Ich bin aufgrund einer Sehstörung zu 50 Prozent behindert. Technische Hilfsmittel kann ich mitbringen." Oder der Bewerber nennt ein Computerprogramm, mit dessen Hilfe er trotz seiner Sehbehinderung gut am PC arbeiten kann - inklusive Hinweis darauf, dass Kostenträger wie Integrations- oder Versorgungsämter die Finanzierung übernehmen können.

Ganz falscher Einstieg: "Haben Sie auch eine Stelle für Schwerbehinderte?"

Einen Fehler sollten Behinderte bei der Stellensuche aber auf gar keinen Fall machen: ihre Behinderung ins Zentrum rücken. "Einige stellen nicht ihre Qualifikation in den Vordergrund, sondern ihre Behinderung", hat Manfred Otto-Albrecht festgestellt, Projektleiter der Beratungsinitiative und Integrationsfachdienst Hamburg (BIHA) bei der Fortbildungsakademie der Wirtschaft (FAW) in Hamburg.

"Haben Sie auch eine Stelle für Schwerbehinderte?" - so eröffnen manche ihr Anschreiben. Die Tür zum Arbeitgeber eher nicht: "Interesse weckt man nur, wenn man deutlich macht, welche Kompetenzen man mitbringt", sagt Otto-Albrecht. "Der Arbeitgeber darf nicht den Eindruck bekommen, dass der Bewerber sich nur über seine Rolle als Schwerbehinderter definiert."

Der Integrationsexperte unterstreicht aber auch: "Jeder muss für sich selbst entscheiden, wie offen er mit dem Thema umgehen will. Pauschal kann man nur sagen: Man muss es nicht in die Bewerbung reinschreiben - vor allem dann nicht, wenn die Art der Behinderung auf den Job überhaupt keinen Einfluss hat."

Spätestens, wenn man den Einzug in ein Jobinterview geschafft hat, taucht die Frage nach der Behinderung aber wahrscheinlich wieder auf: "Vor allem große Unternehmen, die mit Personalfragebögen arbeiten, kommen automatisch auf das Thema", sagt Sylvia Rothbart, Abteilungsleiterin beim Arbeitsintegrationswerk Arinet. Auch Zeitarbeitsfirmen stellen die Frage oft. Muss man antworten? "Das kann jeder selbst entscheiden", sagt Rothbart.

"Verschweigt man seine Behinderung, muss man aber auch auf Vergünstigungen verzichten", warnt Martina Scheuregger, Integrationsbegleiterin beim Bergedorfer Impuls, einem Projekt, in dem sich Menschen mit psychischen und neurologischen Erkrankungen auf den Wiedereinstieg in den Beruf vorbereiten. Das sind zum Beispiel fünf Tage mehr Jahresurlaub. "Ich rate dazu, nach dem eigenen Gefühl zu gehen", sagt Scheuregger. Welchen Eindruck macht mein Gegenüber? Habe ich genug Vertrauen zu ihm? Für den Fall, dass man offen sein will, solle man sich vorab schon mal zwei, drei Sätze zurechtlegen - und die auch laut, am besten vor Freunden, eingeübt haben.

Nicht über Probleme sprechen, sondern dem Arbeitgeber Lösungen anbieten

Wichtig sei es, dem Arbeitgeber zu sagen, was die Behinderung für ihn bedeutet - und Lösungsvorschläge für Probleme parat zu haben. "Wer tagsüber zur Dialyse muss, könnte vorschlagen, ein Arbeitszeitkonto einzurichten", schlägt Werner Weiler vom BFW Vermittlungskontor vor. "Und die fehlenden Stunden nachzuarbeiten." Möglich sei auch, dem Vorurteil "Behinderte sind doch so oft krank" mit einer Aufstellung der Krankheitstage der letzten Jahre zu begegnen. Weiler: "Ich weiß von jemandem, der sich das von der Krankenkasse hat ausdrucken lassen."

Und wie reagieren die Arbeitgeber? "Sie wissen oft zu wenig", sagt Werner Weiler. "Den werde ich nicht wieder los", sei ein beliebtes Vorurteil gegenüber Behinderten. Was nicht stimme: Wenn die Leistung nicht ausreiche, könne wie bei jedem anderen gekündigt werden. "Und in 80 Prozent der beantragten Kündigungen stimmen die Fachdienste auch zu", hebt Manfred Otto-Albrecht vom der FAW hervor.

Er sieht inzwischen aber eine wachsende Toleranz bei den Arbeitgebern. Die hohe Arbeitslosenquote bei Behinderten von rund 15 Prozent hänge auch damit zusammen, dass viele keine gute Ausbildung hätten. Otto-Albrecht: "Aber wenn sie die entsprechende Qualifikation haben, dann sind die Arbeitgeber auch behinderten Bewerbern gegenüber aufgeschlossen."