30 000 freie Stellen. Hochschulen bilden Spezialisten aus

Der Zivildienst war schuld: Oliver Manske arbeitete währenddessen in einem Krankenhaus - und fand heraus, dass er diese Aufgabe wirklich zu seinem Beruf machen wollte. "Pflegerische Maßnahmen können Patienten ganz maßgeblich helfen", sagt der 24-Jährige. "Da liegt noch ungeheuer viel Potenzial brach."

Manske entschied sich für den "Dualen Studiengang Pflege" an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, der seit 2006 in Kooperation mit dem Albertinen-Diakoniewerk Hamburg angeboten wird. Das modular gestaltete Studium ist breit gefächert und reicht vom "Kurativen Handeln" über "Prävention" und "Palliative Pflege" bis zu "Kranke verstehen" und "Ethisch Handeln". Außerdem führen Praxiseinsätze die Studenten in Kliniken oder ambulante Dienste, in Wohngruppen und Tages- oder Kinderkliniken oder auch in ein Hospiz.

Im August dieses Jahres haben die ersten 18 Absolventen das HAW-Studium abgeschlossen und nach vier Jahren einen Bachelor of Arts plus den staatlich anerkannten Berufsabschluss als Gesundheits- und Krankenpfleger in der Tasche. Oliver Manske wird nächstes Jahr so weit sein.

Studie: Im Jahr 2030 werden mehr als 400 000 Pflegekräfte fehlen

Der Arbeitsmarkt wird die Absolventen problemlos aufnehmen. Das besagt zumindest die Studie "Fachkräftemangel im Gesundheitswesen", erstellt vom Beratungsunternehmen PricewaterhouseCoopers (PwC) in Zusammenarbeit mit dem Darmstädter Forschungsinstitut WifOR. Darin heißt es: "Sowohl stationäre Einrichtungen als auch ambulante Dienste steuern auf einen gravierenden Pflegenotstand zu."

Laut der Studie fehlen 2030 in Kliniken mehr als 400 000 Krankenschwestern, -pfleger und Pflegehelfer, in ambulanten Diensten weitere 66 000. Dabei sei der Personalbedarf von Altenpflegeeinrichtungen in diesen Zahlen noch gar nicht berücksichtigt.

Die Ausbildung an einer Hochschule bedeutet nicht zwingend mehr Gehalt

Auftraggeber der Studie ist der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V. (bpa), der wiederum Zahlen zum Pflegenotstand erhoben hat. "Wir haben im norddeutschen Bereich eine repräsentative Umfrage zum aktuellen Bedarf unter unseren Mitgliedern durchgeführt und dann auf das gesamte Bundesgebiet hochgerechnet", erläutert Bernd Tews, Geschäftsführer des bpa. "Demnach gibt es mindestens 10 000 offene Stellen allein in unseren Reihen." Da die Situation in Wohlfahrts- und kommunalen Einrichtungen vergleichbar sei, gehe der bpa von etwa 30 000 unbesetzten Stellen aus.

Der Bedarf an Personal ist also groß - sichert das dem Bachelor auch ein höheres Gehalt? Da ist Bernd Tews vom Bundesverband der privaten sozialen Dienste augenblicklich noch skeptisch. Das Problem sieht er vor allem im herrschenden Kostendruck. Pflege- und Betreuungseinrichtungen rechnen mit den Krankenkassen ab, Vergütungen werden meist durch Tarifverträge geregelt und die Eingruppierung basiert in der Hauptsache auf der Bewertung der auszuübenden Tätigkeit. "Ein Bachelor ist da nicht vorgesehen, im Gegensatz etwa zu Berufserfahrung, das zählt schon eher", sagt Tews. Inhaltlich hingegen hält er die weitergehende Ausbildung durchaus für sinnvoll.

Pflegestudiengänge gibt es von Berlin bis Zwickau

Auf Seiten der Hochschulen wird gar von einer längst überfälligen Akademisierung von Pflegeberufen gesprochen. Entsprechend gibt es heute von Berlin bis Zwickau schon zahlreiche Studienmöglichkeiten mit Titeln wie Pflegewissenschaft, Pflegemanagement oder Health Care (Übersicht auf www.pflegestudium.de ).

In Bochum ist jüngst die erste staatliche Hochschule für Gesundheitsberufe mit grundständigem Studienangebot gestartet. 200 Studenten verteilen sich auf die Studiengänge Pflege, Physiotherapie, Ergotherapie, Hebammenkunde und Logopädie. Im Zentrum des Studiums steht die unmittelbare Arbeit am Patienten, "aber theoriegelenkt", unterstreicht Hochschulpräsidentin Professorin Dr. Anne Friedrichs. "Unsere Studenten sollen etwa den Umgang mit Forschungsarbeiten lernen. Dazu müssen sie Einblick in die gängige Methodik erhalten und das Rüstzeug, um zu einer soliden Einschätzung der Ergebnisse zu kommen."

Die Inhalte werden im Hörsaal vermittelt, in der Praxis sowie in "Skills Labs", einer Art Labor. Dort üben die Studenten miteinander, etwa wo welche Muskeln sind oder wie Spritzen gesetzt werden. "Letzteres aber wird nicht am lebenden Objekt, sondern an Simulatoren-Puppen geübt", sagt Friedrichs. Die Medizin-Dummys verfügen über Puls-, Atem- und Herzfrequenzen - und sogar über einen Pupillenreflex.

Besonders jedoch betont die Hochschulpräsidentin die Bedeutung der Zusammenarbeit über die Professionen hinweg. Sie könne dazu beitragen, Behandlungsfehlern vorzubeugen, die durch mangelnde Kommunikation der verschiedenen Berufsgruppen entstehen. "Wer von Anfang an lernt, miteinander zu arbeiten, der geht auch im Beruf viel leichter aufeinander zu."