Ein Kommentar von Torsten Schumacher

Hamburg. Welch ein frustrierender Arbeitsbeginn: Der Mitarbeiter steckt seinen Ausweis in die Stechuhr und ein virtuelles "Guten Morgen, ich misstraue dir" schallt ihm entgegen. Nachmittags das gleiche Ritual: "Tschüß, lieber Mitarbeiter, ich misstraue dir immer noch." Wer ernsthaft glaubt, Stechuhren würden irgendeine positive Wirkung entfalten, der ist auf dem Holzweg. Arbeitszeitkontrollsysteme haben zutiefst schädliche Folgen.

Zunächst wird eine Kultur des Misstrauens deutlich. Die gleichen Menschen, von denen wir uns eigenverantwortliches Handeln wünschen, werden in ein Überwachungskorsett gepresst. Zudem führt Zeiterfassung zu einer grundlegenden Fehlorientierung: weg von Ergebnissen und hin zum zeitlichen Absitzen. Wer tagtäglich Stechuhren bedienen muss, der wird mit mechanischer Sicherheit immer stärker darauf achten: Wann ist das Tageskontingent abgesessen? Wann ist der nächste freie Tag angespart?

Es kommt aber nicht darauf an, wer wie viele Stunden arbeitet und wer abends als Letzter das Licht ausmacht, sondern wer welchen individuellen Beitrag leistet. Es ist faszinierend zu sehen, wie viel Energie, Kreativität und Leidenschaft die gleichen Leute entfalten, sobald sie ausgestempelt haben und sich anderen Aufgaben zuwenden. Wer hier einwendet, die Abschaffung der Zeiterfassung würde zu Missbrauch führen, der sollte sich fragen, ob er die richtigen Leute an Bord hat.

Nächster Einwand: "Ich kann aber auf die Zeiterfassung nicht verzichten. Nur so kann ich meine Organisation steuern und der Leistung jedes Mitarbeiters gerecht werden." Unter uns: Ich kann die Ohnmacht solcher Ausreden nicht mehr hören. Wer die abgesessene Zeit zur Grundlage der Bezahlung macht, trifft eine Entscheidung. Ich respektiere das. Aber es ist die falsche Entscheidung. Und: Wer in seinem Verantwortungsbereich die Stempeluhr benötigt, um individuelle Leistung zu beurteilen, der sollte sein Führungsverständnis neu justieren.

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