Bewerber sollen unbedingt teamfähig sein. So bekommen Arbeitgeber lauter Mitläufer statt Persönlichkeiten mit Ecken und Kanten

Hamburg. Er gehört als Schauspieler zur ersten Garde. Doch wie so viele erfolgsverwöhnte Stars gilt Edward Norton als arrogant und egozentrisch. Seine Allüren kosteten den 40-Jährigen vor zwei Monaten seine Rolle als "Hulk" im Hollywood-Film "The Avengers", der 2012 in die Kinos kommen soll. Die Produzenten der Marvel Studios feuerten Norton, weil er angeblich nicht teamfähig war und sich am Set nur wenig kooperativ zeigte. "Wir brauchen eher einen Schauspieler, der Kreativität verkörpert und mit den anderen talentierten Mitgliedern des Ensembles zusammenarbeiten kann", begründete Studioboss Kevin Feige die Entscheidung gegen Norton.

Dieser Vorgang zeigt: Sogar Stars, ob im Showbusiness oder im Sport, müssen ihre Allüren zügeln und sich im Kollektiv einordnen, weil der Erfolg ihrer Arbeit davon abhängt, dass ein Team gut zusammen funktioniert. "Teamfähig" ist eine der am meisten verwendeten Vokabeln in den Stellenanzeigen hierzulande. Wie ein Mantra beten Personalentscheider dieses Wort daher, wenn sie die Anforderungen an einen Bewerber beschreiben. Spätestens seit die McKinsey-Berater Jon Katzenbach und Doug Smith im Jahr 1993 Teams als den Schlüssel zu Hochleistungsorganisationen idealisiert haben, geht in der Wirtschaft nichts mehr ohne Teamplayer.

Doch was sind eigentlich Teams? "Ein Team im Wortsinne ist eine Arbeitsgruppe überschaubarer Größe, die einander ergänzende Kompetenzen (fachliche oder soziale) zusammenführt und gemeinsam ein eindeutig definiertes und terminiertes Ziel verfolgt", erklärt die Hamburger Managementberaterin Maren Lehky den Begriff. Bei Beschäftigten gilt Team oft als Abkürzung für "Toll, ein anderer macht's" oder noch polemischer für "Terror, Egoismus, Aggression, Mobbing".

42 Prozent der Spitzenmanager halten den Teambeitrag für unwichtig

Die gemeinsame Arbeit von Kollegen wird also kritisch gesehen oder gar missachtet. Laut einer Studie der Personalberatung Egon Zehnder International zur Teamarbeit gehen 42 Prozent der befragten Spitzenmanager davon aus, dass der Teambeitrag für die Bewertungen ihrer eigenen Leistung keine Rolle spielt.

Hart ins Gericht mit dem Begriff geht der Hamburger Unternehmensberater Torsten Schumacher von schumacher & baumanns: "Teams werden in unerträglichem Ausmaß glorifiziert. Jede pointierte Einzelmeinung, die einen fruchtbaren Diskurs in der Sache auslösen könnte, wird der teamgetränkten Harmoniesoße geopfert. Das Ergebnis basiert mit mechanischer Sicherheit auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner." Teams sozialisieren individuelle Verantwortung - und seien genau deshalb so beliebt, sagt Schumacher.

Ein klares Bekenntnis zum Einzelkämpferdasein bedeute "in diesen teamorientierten Zeiten das Karriere-Aus für alle, die nicht als Außendienstler für Fahrradzubehör in der Region Vorpommern enden wollen", wettern Svenja Hofert und Thorsten Visbal in ihrem gerade erschienenen Buch "Ich hasse Teams!" (Eichborn).

Hier allerdings lauert die Denkfalle: Wer sich dem harmoniegesteuerten Herdentrieb vieler Teams entzieht, muss deshalb nicht gleich ein Sozialrambo sein. Er oder sie verweigert sich nur der ritualisierten Mittelmäßigkeit des Gruppenzwangs.

Das Problem beginnt bei den Führungskräften, die nicht den Mut haben, Leute mit Ecken und Kanten einzustellen, weil sie sich selbst daran reiben müssten. "Das ist viel anstrengender, als einen Haufen meinungsloser Jasager zu kommandieren", räumt Torsten Schumacher ein. "Wer Teamfähigkeit fordert, bekommt graue Mäuse. Was wir mehr denn je benötigen, sind Leute mit wachem Geist und innerer Unabhängigkeit. Mitläufer müssen wir aussortieren", erklärt Schumacher.

Stromlinienförmige Teams liefern keine Impulse für Innovationen

Auch der Rendsburger Unternehmensberater Andreas von Studnitz sieht den Fehler im Auswahlprozess: "Der Teambegriff vermittelt eine trügerische Harmonie. Organisationen haben über Jahrzehnte gelernt, alles auszuselektieren, was anders ist in puncto Verhalten, Umgangsformen, Werte oder Methodenkompetenz. Doch stromlinienförmige Teams liefern keine Impulse für Innovationen."

Der eigentliche Motor für Erfolg sei Vielfalt, sagt von Studnitz. "Ein gutes Team begünstigt das Miteinander unterschiedlicher Charaktere." Der Management-Vordenker Reinhard K. Sprenger unterscheidet zwischen formalisierter Teamarbeit einerseits und freiwilliger Zusammenarbeit andererseits: "Teams haben eine Tendenz zum Gleichmachen. Zusammenarbeit will gerade die Unterschiedlichkeit erhalten und sie nutzen, die Stärken des Individuums nicht nivellieren, sondern zur Geltung kommen lassen."

Ist die Forderung nach Teamfähigkeit in Stellenprofilen also überflüssig? "Nein, eine bewusst gelebte Teamfähigkeit ist von enormer Bedeutung. Doch herausragende Einzelleistungen dürfen dabei nicht unter den Tisch fallen. Wichtig ist jedoch, dass diese im Team besprochen und reflektiert werden - so bleibt die Gesamtleistung des Teams unangetastet", sagt Joachim Pawlik, Vorstandschef der Pawlik Sales Consultants AG.

Der Extremsportler und Motivationstrainer Hubert Schwarz fordert mehr Mut zur Eigeninitiative. "Die Fähigkeit, sich im entscheidenden Augenblick auf die eigene Stärke zu besinnen, halte ich innerhalb eines Teams für ganz wichtig", sagt Schwarz. "Was hilft mir eine hoch motivierte Truppe, die sich eifrig zu gemeinsamen Zielen bekennt und am Ende doch nur aus Jasagern besteht? Sie werden mir auch in einen Abgrund folgen."