Serie, Teil 1: Voll im Leben - trotz Behinderung. Diesmal: Rolf Schweinsberg, Leiter des Museumsshops der BallinStadt

Hamburg. Ohne seine Kunden würde er was vermissen: Rolf Schweinsberg ist mit Leib und Seele Einzelhändler. 40 Jahre lang hat der heute 55-Jährige bei Karstadt, später Hertie gearbeitet, 20 Jahre davon als Abteilungsleiter Elektro in der Bramfelder Niederlassung. Dann kam 2009 die Insolvenz und mit ihr die Kündigung für Schweinsberg und seine verbliebenen 50 Bramfelder Kollegen.

Eine gute Abfindung habe er zwei Jahre davor noch ausgeschlagen, erinnert sich der gebürtige Bochumer. "Ich habe immer daran geglaubt, dass es mit Hertie noch einmal aufwärts geht." Gekündigt wurde Rolf Schweinsberg zum Mai 2010, freigestellt war er schon ein halbes Jahr vorher - und ab da auch auf Jobsuche.

Der Zuversicht folgt die Ernüchterung: 25 Bewerbungen und keine Einladung

"Im ersten Moment denkt man, klar, mit den Erfahrungen und Kenntnissen findet man doch wieder eine Stelle", sagt er. Doch dann schrieb Schweinsberg 25 Bewerbungen und erhielt nur Absagen. "Auch von Arbeitgebern, für die ich aufgrund meiner Elektro-Erfahrung bestens geeignet wäre", betont er. "Es war deutlich: Ab einem gewissen Alter, wie ich es habe, hat man einfach keine Chancen mehr." Hinzu kommt, dass Rolf Schweinsberg zu 30 Prozent schwerbehindert ist. Das steht zwar nicht in seinen Bewerbungen, aber spätestens beim Jobinterview wäre seine leichte Gehbehinderung aufgefallen.

Ein künstliches Hüftgelenk ist schuld daran, dass er nicht mehr den ganzen Tag stehend arbeiten kann - und auch keine 15 Stunden am Stück mehr, wie er es oft genug zu seinen Hertie-Zeiten getan hat. 2002 habe er die neue Hüfte bekommen, sagt der 55-Jährige. Fünf Jahre funktionierte sie reibungslos. Doch in den letzten drei Jahren sei schon fünfmal der Kugelkopf herausgesprungen. "Das heißt dann jedes Mal wieder: Operation mit Vollnarkose." Rolf Schweinsberg braucht einen behindertengerechten Arbeitsplatz. Dazu gehört in seinem Fall zum Beispiel eine hohe Sitzgelegenheit. "Je tiefer der Sitz, desto schwerer komme ich danach wieder in Gang", erklärt er.

Seit dem ersten Mai dieses Jahres ist der Museumsshop der BallinStadt auf der Veddel sein Reich. "Ich habe Glück gehabt, dass ich doch so schnell noch einen Job bekommen habe", sagt der 55-Jährige. Geholfen habe ihm das Berufsförderungswerk (BFW) Hamburg. "Die konnten mir diese Stelle vermitteln." Natürlich sei das Gehalt nicht mit dem eines Abteilungsleiters im großen Kaufhaus zu vergleichen. "Aber man kann doch nicht zu Hause herumsitzen und immer missmutiger werden", sagt er ganz pragmatisch.

Diesen Pragmatismus hat Schweinsberg auch schon gezeigt, als er freigestellt war. "Ich habe bei der Arbeitsagentur alles angenommen, was möglich war - Bewerbungstraining, Computer- und SAP-Kurse." Daran, sich selbstständig zu machen, hatte er auch mal gedacht. "Aber das wäre nur eine Notlösung gewesen. Man verdient ja erst einmal gar nichts dabei."

Bei den Heimspielen des HSV ist der eingefleischte Fußballfan immer dabei

Mit seiner Behinderung hadert Rolf Schweinsberg überhaupt nicht. Vielleicht ist er nicht mehr so schnell wie früher, aber sonst lässt er sich nicht einschränken. Bei den Heimspielen des HSV ist der eingefleischte Fußballfan immer dabei. Und mit seiner Lebensgefährtin besucht er Veranstaltungen oder bummelt durch die Stadt.

Den 55-Jährigen stört auch nicht, dass sein neuer Job nicht mehr ganz so anspruchsvoll ist wie der alte. "Man muss auch die Vorteile sehen", sagt er. "Hier ist es stressfreier. Es sind weniger Kunden, und ich habe 40 Wochenstunden, die auch tatsächlich nur 40 Stunden sind." Wer weiß, wie lange er mit seiner kaputten Hüfte die harten Arbeitsbedingungen als Abteilungsleiter überhaupt noch ausgehalten hätte, wäre die Insolvenz nicht dazwischen gekommen. Das fragt er sich manchmal.

Die Arbeit im Museumsshop jedenfalls gefällt ihm sehr. "Wenn Schulklassen kommen, habe ich auf einmal 50, 60 Kinder hier - das macht mir Spaß." Er brauche diese Atmosphäre mit den Kunden, sagt Rolf Schweinsberg. Sein Rat an alle Arbeitssuchenden: "Man darf einfach nicht den Mut verlieren. Das ist das Wichtigste. Und mehr gibt es dazu eigentlich gar nicht zu sagen."