Die Leserfrage: Mein Chef hat mich neulich zurechtgewiesen, weil ich angeblich Schreibwaren im Büro "mitgenommen" hätte. Er hat nicht "geklaut" gesagt, war sich wohl selbst nicht so sicher. Wie kann ich mich gegen so eine unfaire Unterstellung wehren?

Das sagt Rechtsanwalt Christian Wieneke-Spohler: Da müssen Sie ganz vorsichtig sein. Denn grundsätzlich kann der Arbeitgeber im Falle eines Diebstahls, auch wenn es sich nur um Geringwertiges handelt - ein Stück Kuchen in der Bäckerei oder Büromaterialien - eine fristlose Kündigung aussprechen.

Dies gilt sogar dann, wenn der Arbeitgeber die Tat nicht nachweisen kann, sondern nur ein dringender Verdacht besteht. Es bedarf dann grundsätzlich auch keiner vorhergehenden Abmahnung. Manch Arbeitgeber hat diesen Umstand bereits ausgenutzt, um unliebsame Mitarbeiter loszuwerden.

Gewisse Einschränkung hat jetzt das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 10.6.2010, 2 AZR 541/09) zur "Bagatellkündigung" vorgenommen. Zwar ist ein Diebstahl zulasten des Arbeitgebers, auch der Gegenstand nur von geringem Wert ist, grundsätzlich geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen, es gibt aber Ausnahmen.

Im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung hat der Arbeitgeber zu berücksichtigen, ob ein langjähriges, beanstandungsfreies Arbeitsverhältnis vorliegt, wodurch der Mitarbeiter ein hohes Maß an Vertrauen erworben hat. Dieses Vertrauen kann nicht bereits durch einen einmaligen geringfügigen Vorgang zerstört werden. Es ist dann bei einer Bagatellkündigung eine vorherige Abmahnung erforderlich.

Ist aber an dem Vorwurf, Sie hätten Schreibwaren "mitgenommen", gar nichts dran, haben Sie Anspruch auf Richtigstellung durch Ihren Arbeitgeber, der eine solche Behauptung nicht grundlos aufstellen darf.

Unser Autor Christian Wieneke-Spohler ist Fachanwalt für Arbeitsrecht in Hamburg. Im Internet unter www.martens-vogler.de