Die Leserfrage: Ich bin für eine Woche krankgeschrieben gewesen. Der Grund war eine Nebenhöhlenentzündung. Am letzten Tag meiner Krankschreibung bin ich dann mit einem Freund in die Stadt gegangen und dort von meinem Chef in einem Café gesehen worden. Er hat noch nichts zu mir gesagt, aber ich habe jetzt Angst, dass da noch eine Abmahnung kommt. Wäre die berechtigt?

Das sagt Rechtsanwältin Silke Grage: Grundsätzlich ist ein krankgeschriebener Arbeitnehmer verpflichtet, sich so zu verhalten, dass er möglichst bald wieder gesund wird, und alles zu unterlassen, was seine Genesung verzögern könnte. Diese Verpflichtung ergibt sich aus der Treuepflicht des Arbeitnehmers gegenüber seiner Firma.

Berücksichtigt man diesen Grundsatz, besteht in Ihrem konkreten Fall wohl nicht die Gefahr, dass Ihr Chef Ihnen eine wirksame Abmahnung erteilen kann. Da Sie lediglich an einer Nebenhöhlenentzündung erkrankt waren und Ihr Arzt Ihnen deshalb wohl kaum strenge Bettruhe verordnet haben dürfte, gehe ich davon aus, dass Ihr Besuch im Café nicht zu einer Verzögerung Ihrer Genesung geführt hat.

Dennoch ist ein Arbeitnehmer gut beraten, während seiner Arbeitsunfähigkeit den Genesungsverlauf nicht zu beeinträchtigen, da er ansonsten unter Umständen seinen Arbeitsplatz gefährdet, ohne dass ihm sein Arbeitgeber vorher eine Abmahnung erteilen muss.

So kann nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts (vgl. Urteil vom 26.8.1993, 2 AZR 154/93) auch ohne vorherige Abmahnung die Kündigung gegenüber einem Arbeitnehmer berechtigt sein, der trotz Krankschreibung nachts in nicht unerheblichem Umfang eine Nebentätigkeit ausübt.

Haben Sie auch eine Frage an unsere Arbeitsrechtler? Dann schreiben Sie uns: beruf.erfolg@abendblatt.de

Unsere Autorin Silke Grage ist Fachanwältin für Arbeitsrecht in Hamburg. Im Internet: www.ra-grage.de