Der Nutzen guter Einkäufer wird in vielen Betrieben noch unterschätzt. Experten erwarten ein Umdenken, doch qualifizierter Nachwuchs ist knapp

Hamburg. Seine Karriere verdankt Josip Tomasevic nicht zuletzt einem Zufall. Nach dem Studium war der Maschinenbauingenieur bei einem Produzenten von Fertighäusern eingestiegen. Als dessen Chef keine Zeit mehr hatte, sich auch um den Einkauf zu kümmern, wie er es bislang getan hatte, übertrug er die Aufgabe Tomasevic. "Der Appetit kam dann beim Essen", erinnert sich der gebürtige Kroate.

Die Kontakte zu zahlreichen Abteilungen im Unternehmen, aber auch zu den weltweiten Lieferanten machten den Job extrem abwechslungsreich. "Jeder Tag ist anders", sagt Tomasevic. Mit Anfang 30 rückte der Ingenieur dann zum Leiter der Zentralen Beschaffung beim Maschinenbauer Gildemeister auf, war dort verantwortlich für 76 Mitarbeiter. Vier Jahre später holte ihn der weltweit führende Landtechnik-Spezialist Claas als Leiter Konzerneinkauf nach Harsewinkel, wo Josip Tomasevic nach der Übernahme eines Traktorenbauers die Einkaufsorganisationen zusammenlegen sollte. Anders als bei vielen Mittelständlern war der Einkauf bei der Firma Claas bereits gut positioniert.

In der Regel gilt jedoch: Je kleiner das Unternehmen, desto schlechter der Einkauf. "Bis zu einer Umsatzgröße von 100 Millionen Euro gelingt es den wenigsten, ihren Einkauf effizient aufzustellen", sagt Thorsten Makowski. Er ist Mitglied der Geschäftsführung der Berliner Einkaufsberatung Valueneer. In einer kürzlich durchgeführten Studie seines Hauses hätten nur 39 Prozent der befragten Einkaufsleiter angegeben, die optimale Anzahl an Mitarbeitern zu haben.

Etwa ein Drittel habe unbesetzte Stellen im Einkauf, für die nicht genügend qualifizierte Mitarbeiter gefunden würden. "Früher galt: Wer nie Karriere machen wollte, ging in den Einkauf. Und wer seine Karriere beenden wollte ebenso", weiß Gerd Kerkhoff, Geschäftsführer der Kerkhoff Consulting GmbH. Es gäbe auch kaum Lehrstühle, die Einkäufer ausbilden würden. Grund für die geringe Wertschätzung sei, dass viele Firmen den Einkauf als reine Beschaffungsabteilung abwerten würden.

Gerade in der Krise verschenken die Unternehmen damit aber wichtige Chancen. "Der Einkauf ist der wertvollste Kostenhebel, weil auf keine andere Art Einsparungen schneller realisiert werden können", weiß Berater Kerkhoff. Umso wichtiger wird es für die Unternehmen, ihre Einkaufsabteilungen effizient aufzustellen und mit Top-Leuten zu besetzen.

"Die Nachfrage nach qualifizierten Einkäufern ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen, qualifizierter Nachwuchs wird knapp. Wir benötigen dringend das Fachwissen top-ausgebildeter Einkäufer, wenn die Konjunktur wieder merklich anzieht", sagt Holger Hildebrandt, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME). Hildebrandt setzt sich dafür ein, dass wie zum Beispiel beim Vertrieb oder im Marketing künftig mehr Hochschulen auch das Thema Einkauf in ihren Lehrplänen verankern. Doch die mangelhafte Ausbildung hat zumindest auch einen Vorteil: "Gute Leute können relativ schnell Karriere machen", weiß Einkaufschef Tomasevic aus Erfahrung.

Wenn WMF, der international tätige Anbieter von Kaffeemaschinen, Kochgeschirr und Besteck, Einkäufer sucht, dann sind vor allem zwei Qualifikationen gefragt: Einkaufs- und Produktkompetenz. "Die Branche spielt keine wesentliche Rolle. Es ist vor allem wichtig, dass ein Einkäufer über ein großes Know-how im Einkauf verfügt und sich in seiner Warengruppe und damit in den entsprechenden Märkten und mit den Lieferanten auskennt", sagt Markus Frank, der als Director Corporate Purchasing bei WMF darüber wacht, bei wem, wann und zu welchen Konditionen geordert wird.

Meist bringen die Einkäufer ein BWL- oder Wirtschaftsstudium mit und haben sich schon während ihrer akademischen Ausbildung spezialisiert. Zudem seien eine hohe Einsatzbereitschaft, große Flexibilität und Kommunikationsfähigkeit unerlässlich, um ein guter Einkäufer zu sein. Um die Mitarbeiter vom Bestellabwickler zum Einkaufsprofi zu befördern, organisiert WMF regelmäßig Schulungen, Teamtrainings und Coachings.

Außer fachlichem Know-how brauchen Einkäufer aber vor allem auch kommunikative Fähigkeiten. "Kommunikation ist ein wesentlicher Treiber für den Erfolg", sagt Einkaufsdirektor Markus Frank. Wenn die Entwicklungsabteilung nicht verstehe, was der Einkauf tue oder wie er arbeite, laufe es nicht. "Einkauf und Technik müssen sehr früh in neuen Ausschreibungsverfahren zusammenarbeiten", ist Geschäftsführer Gerd Kerkhoff überzeugt. Deshalb sollten Einkäufer ein gutes Grundverständnis für die zu beschaffenden Waren mitbringen.

Wie viele seiner Kollegen im Einkauf ist auch Georg Sasse dem Bereich im Laufe seines Berufslebens treu geblieben - seit 25 Jahren. Wenn der strategische Einkaufsleiter bei der Maschinenfabrik Bernard Krone einen neuen Mitarbeiter einstellt, gehört zu seinen Standardfragen, in welcher Position dieser sich gegenüber den Lieferanten fühle. "Wenn er sich stärker fühlt, dann ist er nicht teamfähig", sagt Sasse. Entscheidend sei, dass beide Seiten auf Augenhöhe verhandelten. Mehrfach ließen sich die Einkäufer auch von Beratern begleiten, was beim Lieferanten zwar nicht immer gut ankam. Die Krone-Leute nahmen dafür aber wertvolle Tipps mit.

In vielen Unternehmen gibt es inzwischen schon ausgefeilte Weiterbildungsprogramme für die Einkäufer des Hauses - mit gutem Grund. Sasse sagt: "Die Bedeutung des Einkaufs wird noch deutlich zunehmen, da die Unternehmen im Zuge des Outsourcings von Kernkompetenzen immer mehr zukaufen werden."