Erfolgreiche Mitarbeiterführung fängt bei der Personalauswahl an. Torsten Schumacher deckt typische Fehler auf

Hamburg. Seit 20 Jahren berät Dr. Torsten Schumacher den Mittelstand und Konzerne bei der Unternehmens- und Mitarbeiterführung. Wir sprachen mit ihm über erfolgreiche Strategien bei der Bewerberauslese.

Abendblatt:

Seit zwölf Jahren ist der "war for talent" Thema in der Personalwirtschaft: Unternehmen kämpfen um die besten Kandidaten. Andererseits häufen sich die Klagen über ungeeigneten Nachwuchs. Sind die Bewerber zu doof?

Torsten Schumacher:

The war for talent is over - and talent has won. Ich glaube, dass die besten Talente sich die Unternehmen aussuchen, und nicht umgekehrt. Das betrifft nicht nur die Top-5-Prozent, sondern vermutlich das beste Drittel der Kandidaten. Das heißt also, die Unternehmen müssen sich bewerben, und da wird sehr viel falsch gemacht. Kandidaten werden einseitig aufgebohrt, es wird nach fachlichen Fertigkeiten geforscht, aber das Unternehmen bewirbt sich gar nicht um den Kandidaten. Da sehe ich großen Nachholbedarf. Bei dieser Bewerbung des Unternehmens um den Kandidaten würde ich ein ganz realistisches Bild zeichnen und keine Hochglanzbroschüren auf den Markt werfen. An die glaubt doch eh niemand. Gerade die guten Leute glauben nicht an die Aussagen von verstaubten Leitbildern.

Sie fordern, das Unternehmen müsse sich bei den Kandidaten bewerben. Wie soll das in der Praxis aussehen?

Ich glaube, da muss man zwei Phasen unterscheiden. Der erste Schritt: Man muss die besten Leute zunächst einmal zu sich ins Unternehmen bekommen. Der zweite Schritt: Wenn sie da sind, mit ihnen in einer vernünftigen Weise umzugehen. Zur ersten Phase: Manche Firmen machen gar nichts. Pointiert gesagt: Wer eine Anzeige schalten muss, hat schon ein Problem. Was kann ich also tun? Das einfachste Mittel ist, direkt in Hochschulen hineinzugehen. Aber bitte nicht mit dem 98. Stand auf einer Messe, da falle ich nicht auf. Sondern ich suche mir die für mich interessanten Unis aus, knüpfe dort gezielt Kontakte und biete Studenten beispielsweise Workshops, Diskussionsrunden oder Kamingespräche mit dem Management an. Es muss nicht die dreitägige Event-Reise ins Piemont sein. Es geht doch um spannende Einsichten in die Abläufe des Unternehmens. Das ist Chefsache.

Gibt es dafür Beispiele?

Ich kenne einige Unternehmen, die das tun, und bei denen die Inhaber oder Geschäftsführer das selbst machen. Die sind sich nicht zu fein, mit Studenten zu sprechen. Das ist eine ganz andere Botschaft, als wenn ich den Stellvertreter des Stellvertreters der Personalabteilung losschicke.

Sie halten nichts von den Recruiting-Eventreisen. Warum?

Aufwand und Ertrag stehen dabei in schlechtem Verhältnis. Der Glaube ist ja, dass ich Menschen in all ihren Facetten besser kennenlerne, wenn ich mit ihnen drei Tage lang zum Holzhacken an den Polarkreis fahre. Ich bin da skeptisch. Das ist eine Laborsituation. Ich rate eher dazu, interessante Studenten als Praktikanten in den Betrieb zu holen. Dabei muss ich dann wirklich einen intensiven Dialog mit den jungen Leuten führen, damit das Unternehmen die Persönlichkeit und der Student das Unternehmen kennenlernen kann. Es zeigt sich doch immer wieder: Das Unternehmen, bei dem ich ein gutes Praktikum gemacht habe, ziehe ich als Arbeitgeber immer in die engere Auswahl.

Sind Stelleninserate noch zeitgemäß?

Die sehen alle gleich aus - wie Todesanzeigen. Furchtbar. Alle suchen die ideale Mischung zwischen Oberstleutnant, Showmaster und Nobelpreisträger für Physik. Darin findet sich niemand wieder, weder die Hochschulabsolventen noch erfahrene Kandidaten, weil wir alle nur ganz wenige individuelle Stärken haben. Die typische Aneinanderreihung von Adjektiven, die alle Unternehmen mitmachen, weil jede Stellenanzeige so aussieht, halte ich für völlig kontraproduktiv. Dort werden abstruse Anforderungen gestellt.

Wie geht es besser?

Ich muss das Erscheinungsbild kernsanieren und den Text interessant gestalten. Überraschen Sie die Leser positiv.

Ein Beispiel?

Ein Automobilzulieferer warb mit der Zeile "Machen Sie bei uns die Klappe auf". Diese Botschaft zog sich auch durch den gesamten Text der Anzeige. Das ist sympathisch, das weckt Interesse bei jungen Menschen. Für die Arbeitgeber gilt genauso wie für die Bewerber als wichtigste Regel: Seid authentisch!