Tipps fürs Vorstellungsgespräch. Bewerber sollten sich Kritik und politische Aussagen verkneifen. Auch wenn sie dazu aufgefordert werden

Hamburg. Früher standen in der Nähe des Kamins von Wohn- und Gasthäusern kleine Schalen mit Stiefelfett. Mit dem Inhalt der Fettnäpfchen konnten die Gäste ihr Schuhwerk pflegen - manche traten aber auch versehentlich hinein. Peinlich. Genauso kann man sich auch im Vorstellungsgespräch durch einen Fauxpas blamieren.

Riskant ist es zum Beispiel, sich über andere Bildungswege oder Berufe abfällig zu äußern. Man weiß in der Regel ja nicht, wen man vor sich hat. Personaler: "Warum haben Sie an einer Universität und nicht an einer Fachhochschule studiert?" Bewerber: "Das Studium an einer FH ist mir zu verschult, und es fehlt auch der akademische Tiefgang." Nicht jeder Personaler mit dem Abschluss "Betriebwirt (FH)" wird von dieser Antwort beglückt sein.

Grober Fehler: Lästern über andere Bildungsabschlüsse

Hat man andererseits als Bewerber oder Bewerberin ein FH-Studium absolviert, kann man sich bei der Frage nach dieser Präferenz ebenfalls in die Nesseln setzen. Etwa: "Universitäten sind mir einfach zu praxisfern. Außerdem haben wir schon genug Theoretiker." Wenn der Interviewer eine Uni besucht hat, wird er diese Einlassung auch nicht sonderlich schätzen.

Was also wäre eine gute Antwort? Stellen Sie die Besonderheiten und Vorzüge beider Institutionen heraus und begründen Sie Ihre Entscheidung. Vielleicht so: "Nach dem Abitur habe ich mir gedacht, dass ein klar strukturiertes Studium für mich genau richtig ist. Deshalb habe ich mich für eine FH entschieden, und das hat gut gepasst."

Oder so: "Von der Entscheidung für die Universität habe ich mir mehr Freiräume bei der Wahl der Inhalte versprochen. Das war auch so und hat mir gut gefallen."

"Noten sagen doch gar nichts aus", auch dieser Satz ist ein Schnitzer

Vor einem anderen beliebten Fettnapf steht man, wenn der Personaler im Bewerbungsgespräch fragt: "Entsprechen Ihre Noten denn eigentlich Ihrem tatsächlichen Leistungsvermögen?" Bewerber: "Es ist bekannt, dass es kaum einen statistischen Zusammenhang zwischen den Zensuren und dem späteren Erfolg im Beruf gibt." Wieder ein Fehler: Denn bei jemandem, der selbst exzellente Abschlüsse erzielt hat, macht man mit der Abwertung von Noten ganz bestimmt keine Punkte. Sagen Sie gegebenenfalls doch einfach, dass Sie durchaus noch hätten zulegen können.

Personaler: "Worauf sind Sie besonders stolz, wenn Sie auf Ihren bisherigen Weg zurückblicken?" Bewerber: "Das bin ich auf meine zwei Semester in den USA. Das kann nur jemand verstehen, der selbst mal drüben war. Man bekommt einen ganz anderen Blick für die Dinge."

Was mag sich jetzt wohl der Interviewer denken, der die heimische Scholle nie verlassen hat? Natürlich kann man auf sein Auslandsstudium stolz sein, aber in einer Antwort, wie sie unser Beispiel-Bewerber gibt, stimmt ganz einfach der Ton nicht. Besser wäre eine solche Formulierung: "Auf meine zwei Semester in den USA bin ich besonders stolz. Und ich denke, dass ich manches dort Gelernte sehr gut in meiner zukünftigen Aufgabe nutzen kann."

Riskant sind auch pauschal-kritische Bemerkungen zur Lebensanschauung, Lebensplanung und den politischen Verhältnissen. Wo stehen die Fettnäpfchen? Personaler: "Was macht einen Menschen Ihrer Ansicht nach beruflich erfolgreich?" Bewerber: "Ich meine, dass zum Erfolg unbedingt ein solider familiärer Hintergrund gehört. In seiner Familie kann man auftanken und sich fit machen für neue berufliche Herausforderungen."

Einem Gesprächspartner, der gerade in Scheidung lebt oder ein notorischer Jungegeselle ist, prognostiziert man damit den baldigen beruflichen Abstieg. Ein Beispiel für eine gute Antwort: "Lern- und Leistungsbereitschaft, über den Tellerrand schauen und immer die richtigen Fragen stellen."

Und gleich noch eine Falle: "Wie sieht es denn mit Ihren Familienplänen aus?", fragt der Personaler. Bewerber: "Ich finde es leichtsinnig, heutzutage bei all diesen Unsicherheiten Kinder in die Welt zu setzen."

Mal abgesehen davon, dass die Familienpläne den zukünftigen Arbeitgeber nichts angehen - wie kommt diese Bemerkung wohl bei einer Personalleiterin an, die Mutter von zwei Kindern ist? Antworten Sie doch so: "Ich habe viel Zeit und Kraft in mein Studium investiert, und nun möchte ich in den nächsten Jahren die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten in der Praxis erfolgreich anwenden."

Bei politischen Themen sollte man neutral bleiben

Manchmal ist es auch besser, zu schweigen. Besonders bei politischen Themen ist Vorsicht geboten. Mitarbeiter haben sich im Betrieb parteipolitisch neutral zu verhalten. Bleiben Sie in Sachen Politik also stets auf der Hut und lassen Sie sich nicht aufs Glatteis führen oder provozieren. Weltanschauliche oder religiöse Stellungnahmen haben übrigens im Vorstellungsgespräch ebenfalls nichts zu suchen. Ausnahme: Sie bewerben sich bei einer Religionsgemeinschaft oder einer Organisation, die eine bestimmte Weltanschauung vertritt (zum Beispiel bei einer Rudolf-Steiner-Schule).

Hantieren Sie als Bewerber nicht unüberlegt mit den üblichen Universitätsrankings. Wenn Sie an der Freien Universität Berlin Politische Wissenschaften studiert haben, können Sie ruhig darauf hinweisen, dass diese Institution qualitativ Rang drei einnimmt - sagen Sie aber lieber nicht, wer die Schlusslichter sind, denn dort könnte gerade die Tochter Ihres Gesprächspartners studieren.

Auch das Thema Alter kann tückisch sein. Etwa in diesem Fall: "Wir haben im Marketing als Gruppenleiter Herrn Z. Der ist allerdings schon über 50. Gerade im Marketing ist das Alter ja manchmal ein Problem - oder wie ist da Ihre Erfahrung?" Lassen Sie sich jetzt bloß nicht zu einem Urteil über die Leistungsfähigkeit verschiedener Altersgruppen verführen. Und schon gar nicht, wenn Ihr Interviewpartner bereits in die Jahre gekommen ist. Möglicherweise ist dies auch eine Testfrage, weil Sie mit dem erwähnten Herrn Z. zukünftig konstruktiv zusammenarbeiten müssen.

Halten Sie sich an den wichtigsten Grundsatz der Rhetorik: Es ist egal, was du sagst - entscheidend ist, wie es beim Adressaten ankommt. Dafür braucht man freilich eine gehörige Portion an Empathie - also die Fähigkeit, mit dem Kopf seiner Gesprächspartner zu denken.

Eine Gratwanderung: Bewerber müssen trotzdem Ecken und Kanten zeigen

Aber: Verhalten Sie sich bei aller Vorsicht nicht so elastisch, dass sich Ihr Gesprächspartner die Frage stellt, ob Sie auch ein Rückgrat haben. An Menschen, die allzu glatt sind, kann man nur hilflos abrutschen. Ecken und Kanten bieten Halt - auch wenn man sich an ihnen manchmal stoßen kann. Solche Nachwuchskräfte werden gebraucht.

Und deshalb kann für den Umgang mit Fettnäpfchen von Fall zu Fall auch dieser Rat gut sein: Treten Sie vorsätzlich hinein, denn dann ist es weg! Sie müssen dabei allerdings festes Schuhwerk tragen.

Unser Autor Claus Peter Müller-Thurau ist Diplom-Psychologe, Coach und Trainer. Er hat sich auf die Potenzialentwicklung von Mitarbeitern spezialisiert. Online unter www.mueller-thurau.de