HR-Nachwuchs 2010: Preisträgerin Nina Klitzke fordert Führungskräfte auf, mehr innere Stabilität zu entwickeln

Kiel. Ihr Auftritt war herzerfrischend souverän: Nina May Lin Klitzke, 27, präsentierte ihre Diplomarbeit vor 40 norddeutschen Personalleitern beim Human Resources Management Campus im Kieler Hotel Birke. Mit fachlicher und methodischer Kompetenz und ihrer engagierten und gewinnenden Persönlichkeit hatte die Referentin für Führungskräfteentwicklung bei der EWE AG im niedersächsischen Oldenburg die Jury des Wettbewerbs überzeugt: Klitzke gewann den Preis "HR-Nachwuchs des Jahres 2010", setzte sich gegen 30 Mitbewerber durch. Die Laudatio hielt Dr. Cordula Andresen, Staatssekretärin im Kieler Wissenschafts- und Wirtschaftsministerium. Wir sprachen mit der Preisträgerin nach der Preisverleihung.

Abendblatt:

Herzlichen Glückwunsch zur Auszeichnung. Sie haben in Ihrer Diplomarbeit untersucht, welche Handlungskompetenzen Führungskräfte in sogenannten Change-Management-Prozessen benötigen. Was glauben Sie, warum scheitern die meisten Veränderungsprozesse?

Nina Klitzke:

Manager betrachten Change Management oft als die Patentlösung, um die komplexen Herausforderungen bei Veränderungen zu bewältigen. Doch diese Denkweise greift zu kurz. Wir erleben einen fundamentalen Wandel, der alle Lebensbereiche gleichzeitig erfasst und jeden von uns ganz persönlich. Jene Denk- und Handlungsmuster, die uns bisher Orientierung gaben, werden zunehmend untauglich. Und damit werden auch die Strategien, Techniken und Instrumente, denen wir bislang vertraut haben, immer wirkungsloser. Da komme ich mit Change Management, so wie es seit Jahren erfolglos betrieben wird, nicht weiter.

Was bedeutet das für Führungskräfte?

Die Veränderungen im Unternehmen führen zu Unsicherheiten und Widersprüchen. Gleichzeitig sind die Erwartungen und Ansprüche an die Führungskräfte deutlich gestiegen. Mitarbeiter, die selbst verunsichert sind, erwarten gerade in diesen turbulenten Zeiten eine Persönlichkeit als Chef, die ihnen Orientierung gibt und Veränderungen souverän managen kann. Das setzt voraus, dass die Führungskraft selbst eine innere Orientierung und Stabilität besitzt und Unsicherheiten aushalten kann.

Was ist die zentrale Erkenntnis Ihrer Diplomarbeit?

Unternehmen qualifizieren ihre Führungskräfte gut - wenn es um die fachlichen, methodischen und sozialen Kompetenzen geht. Aber die Entwicklung der personalen Kompetenzen wird bislang zu wenig berücksichtigt. Wenn Unternehmen langfristig erfolgreich sein wollen, dann muss auch dieser Aspekt stärker in den Fokus rücken.

Was verstehen Sie denn unter personalen Kompetenzen?

Das ist die Fähigkeit, selbstreflexiv zu handeln und Einstellungen und Bewusstsein zu entwickeln.

Ist das keine Sozialkompetenz?

Nein, Sozialkompetenz zählt wie die Fach- und Methodenkompetenz zur äußeren Form von Führungskräften. Wer sozial kompetent ist, kann gut mit anderen Menschen umgehen. Das bedeutet aber nicht, dass jemand auch eine innere Stabilität und Orientierung hat.

Personale Kompetenz dürfte aber mit hoher Sozialkompetenz einhergehen, oder?

Meistens ja, es muss aber nicht so sein. Sozialkompetenz, also etwa überzeugend im Umgang mit anderen Personen zu wirken, kann man erlernen. Das sind Techniken und Methoden, die ich mir auch in Seminaren aneignen kann. Bei der inneren Form geht es um das Bewusstsein über eigene Werte und Einstellungen, die ganz wesentlich die Veränderungsbereitschaft und -fähigkeit beeinflussen. Erfolgreiches Führen in Change-Management-Prozessen erfordert ganzheitliche Handlungskompetenzen, also eine Balance zwischen der äußeren und der inneren Form.

Was ist diese innere Form?

Das sind drei Dimensionen. Erstens die Fähigkeit zum Anhalten und Innehalten durch Achtsamkeit. Zweitens der Mut zum Loslassen und sich Einlassen auf neue Dinge und andere Perspektiven. Und drittens die Kraft und Konzentration, Veränderungen zuzulassen und auszuhalten.

Glauben Sie, dass es für diese ganzheitliche Persönlichkeitsentwicklung in Unternehmen hinreichend Akzeptanz gibt?

Noch nicht, nein. Der Fokus liegt bei den meisten Weiterbildungsmaßnahmen ganz klar auf den fachlichen, methodischen und sozialen Aspekten. Ich bin überzeugt, dass die Personalabteilungen der Unternehmen hier mutig vorangehen und sich selbst darin entwickeln müssen, um dann das Top-Management für diesen Ansatz zu gewinnen. Das ist der Impuls, den ich geben möchte.