Eine Beobachtung von Mark Hübner-Weinhold

Ob in Leitlinien oder Stellenanzeigen, "unternehmerisches Denken" scheint eine grundlegende Anforderung an neue Mitarbeiter. Ebenso wie ausgeprägte Teamorientierung, Kommunikationsstärke und Flexibilität zählt diese Fähigkeit zum üblichen Kanon des gewünschten Kandidatenprofils.

Wenn Sie dann hartnäckig nachfragen, was mit diesem Begriff eigentlich gemeint sei und woran man diese Qualifikation erkennen könne, merken Sie schnell, wie Personalentscheider oft nur heiße Luft ausstoßen. Gern gebrauchte Phrasen sind Eigenverantwortlichkeit, ausgeprägte Kostenorientierung oder Risikobereitschaft.

Inzwischen wollen sogar Behörden ihren Mitarbeitern unternehmerischen Geist einhauchen. Wenn damit Kostenbewusstsein, stärkere Kundenorientierung und Servicequalität gemeint sind, so kann das dem Bürger nur recht sein. Doch die unternehmerische Mission etwa eines Finanzbeamten besteht doch allenfalls darin, für den Fiskus jedes Steuerschlupfloch zu stopfen und die staatlichen Kassen maximal zu füllen. Insbesondere beim Umsetzen von Nichtanwendungserlassen des Finanzministers, also dem Ignorieren solcher Urteile des Bundesfinanzhofs, die für den Steuerzahler günstig sind, beweisen die Mitarbeiter der Steuerverwaltung hartnäckige Konsequenz.

Auch in Unternehmen grenzt der Hang zum unternehmerischen Denken manchmal an Irrsinn. So möchten Kennzahlenfanatiker den individuellen Ergebnisbeitrag jedes einzelnen Mitarbeiters auf die letzte Arbeitsminute oder den kleinsten Handgriff am Montageband herunterbrechen und ihn mit variablen Gehaltsbestandteilen belohnen.

Nur leider befördert gerade dieses System der individuellen Kennzahlenkontrolle das egoistische Silodenken, weil jeder so eingeengte Mitarbeiter seiner eigenen Erfolgsprämie am nächsten ist. Im Zweifel werden wichtige Entscheidungen und die Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen blockiert, wenn es dem persönlichen Bonus nützt. Kluges Unternehmertum sieht anders aus.

Darüber hinaus zementiert so verstandenes unternehmerisches Denken das bürokratische System. Gerade in komplexen Organisationen mit mehreren Entscheidungsebenen etabliert sich schnell ein unübersichtlicher Rangierbahnhof von Managern, die in endlosen Sitzungen diskutieren und sich mit unzähligen E-Mails und Aktennotizen absichern, aber keine Entscheidungen treffen.

Doch Risikobereitschaft und Mut zu klaren Entscheidungen sind die DNA erfolgreichen unternehmerischen Handelns. Wir finden dieses Erbgut bei vielen engagierten Mitarbeitern. Das bringt Unternehmen richtig voran. Vorausgesetzt, diese Impulse werden nicht von einer überbordenden Bürokratie erstickt.