Behinderte auf Stellensuche haben es besonders schwer. Arbeitsvermittler Enrico Schäfer will seinen 329 Kunden zum Job verhelfen.

Michelle Barske hat Freude daran, Kunden zu beraten. Die 27-Jährige absolviert gerade ein Betriebspraktikum bei Promod im Wandsbek Quarree, einem Geschäft für Damenoberbekleidung. Parallel bereitet sich die angehende Verkäuferin auf ihre Gesellenprüfung vor. Die junge Frau geht freundlich auf ihre Kunden zu, ist modisch gekleidet. Nichts deutet darauf hin, dass ihr Weg ein anderer war als der gleichaltriger Frauen.

Dennoch hatte Michelle Barske auf ihrem Berufsweg einige Hürden zu überwinden. "Ich habe ein Handicap", sagt sie. "Es ist eine halbseitige Lähmung." Mit dieser "Behinderung des Stütz- und Bewegungsapparats" wird sie vom Versorgungsamt als schwerbehindert eingestuft.

Deshalb hat Barske keine normale Ausbildung gemacht, sondern ihre Lehre beim Berufsbildungswerk (BBW) absolviert. Gefördert wurde die Maßnahme von der Hamburger Agentur für Arbeit. Ihr Arbeitsvermittler Enrico Schäfer beschreibt sie als hoch motiviert. "Schon vor ihrer Ausbildung hat Frau Barske mehrere Praktika im Einzelhandel gemacht und sich weitergebildet."

40 Millionen Euro gibt Hamburg pro Jahr für solche Reha-Maßnahmen - Ausbildung bei Jugendlichen, Umschulung bei Erwachsenen - aus. Enrico Schäfer berät im Schnitt täglich elf junge Menschen, hilft ihnen bei der Beschreibung ihrer Stärken ebenso wie beim Zusammenstellen der Bewerbungsmappe. "Mein Ziel ist es, dass meine Kunden in sechs Monaten nach ihrer Prüfung eine Arbeit haben - als Metallbearbeiter, Maler, Tischler, Fachkraft Gastgewerbe, Fachlagerist, Gesundheits- und Pflegeassistent, Hauswirtschaftshelfer, Fachkraft Lagerlogistik oder Verkäufer." Doch trotz hoher Motivation der jungen Menschen und einem finanziellen Anreiz für Unternehmen, die einen Behinderten einstellen, sei der Erfolg mäßig, beklagt Schäfer. "Derzeit suchen 329 Jugendliche und junge Erwachsene eine Stelle." Er appelliert an Firmen, ihnen eine Chance zu geben, etwa in einem Praktikum.

Für Schäfers Schützling Jasmin M., 19, war die Suche erfolgreich. Sie wird aufgrund ihrer Lernbehinderung am BBW ausgebildet. Nach ihrer Prüfung zur Hauswirtschaftshelferin wird sie am 1. August bei Unilever eine Ausbildung zur Hauswirtschafterin beginnen.

Rund 25 000 behinderte Menschen arbeiten in Hamburg und beweisen, dass sie leistungsfähig sind. "Die Arbeitsagentur übernimmt bis zu 40 Prozent des Lohnzahlung im ersten Jahr", sagt Arbeitsvermittler Schäfer. Dennoch bleiben etwa 10 000 von 32 000 Arbeitsplätzen für schwerbehinderte Menschen in Hamburg jedes Jahr unbesetzt. Damit gehört die Hansestadt bundesweit zu den Schlusslichtern.

"Es gibt Betriebe wie H&M, Otto und die HHLA, die vorbildlich einstellen, weit über die geforderten fünf Prozent, andere jedoch stellen sich ihrer Verantwortung nicht und zahlen lieber die Ausgleichsabgabe", sagt Schäfer. Die Gründe vermutet er in der Struktur der klein- und mittelständisch geprägten Unternehmen an der Elbe. Zudem wissen viele nicht, dass bereits Diabetes als Behinderung gelten kann.

Nicht jeder von der Arbeitsagentur betreute Rehabilitant ist schwerbehindert. Von 160 "Neukunden" sind dies im Schnitt zehn, sagt Schäfer. Der überwiegende Teil, rund 90 Prozent, ist lernbehindert und hat eine Förderschule besucht. Zu den von der Arbeitsagentur betreuten Rehabilitanten gehören auch viele Erwachsene, die umschulen müssen, wie etwa die Krankenschwester, die wegen einer Allergie nicht mehr im Krankenhaus arbeiten kann.

Karrierecoach Simone Vera Kenski betreut seit Anfang 2011 einen jungen Industriekaufmann, der bereits über fünf Jahre Berufserfahrung verfügt. Er hat bisher in der Kundenbetreuung und Auftragsbearbeitung eines Mineralölkonzerns gearbeitet, dessen Abteilung ins Ausland verlegt wurde. Aufgrund einer spastischen Bewegungsstörung ist der 25-Jährige auf den Elektrorollstuhl angewiesen.

Kenski wurde von dem Unternehmen als Outplacementberaterin beauftragt. "Es wird ein hoher Aufwand betrieben, der in keinem Verhältnis zum Ergebnis steht, weil bei den Betroffenen - wie diesem jungen Mann - wenig ankommt. Alle Kontakte zu Firmen und Trägern mussten von meinem Kandidaten über das eigene Netzwerk aufgebaut werden." Sie habe einige Gespräche mit Personalleitern geführt. "Grundsätzlich ist das Interesse da. Nur fehlt den meisten der Mut oder der Rückhalt innerhalb der Firma für solch eine Entscheidung." Viele Fragen treten auf: Wie leistungsfähig ist der behinderte Mitarbeiter wirklich? Wenn seine Leistung nicht stimmt, habe ich keine Möglichkeit, mich von ihm zu trennen. Für diese Bedenken habe sie Verständnis, sagt Kenski. "Aber können wir es uns leisten, bestimmte Gruppen aus der Arbeitswelt auszuschließen?" Die Frage müsste sein, wie die Leistungsfähigkeit des Behinderten zum Vorteil des Unternehmens genutzt werden könne.

Bei Lufthansa Technik funktioniert das. Das Unternehmen bildet seit 2000 junge Gehörlose zum Werkzeugmechaniker aus. "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Schwerbehinderung nicht gleichzeitig Einschränkung der Einsatzfähigkeit bedeuten muss", sagt Anja Knotte, Personalpolitische Referentin und Arbeitgeberbeauftragte für Schwerbehindertenangelegenheiten. Viele Behinderungen hätten auf die tägliche Arbeit keine spürbare Auswirkung. "In jedem zweiten Ausbildungsjahrgang sind seitdem zwei bis drei gehörlose Azubis. Die Erfahrungen im Betriebsalltag sind positiv."