Wie man beim Arbeitgeber mit seiner Initiativbewerbung positiv auffällt, erklärt Ratgeber-Autor und Jobexperte Jürgen Hesse.

Vor dem "kalten" Anruf im Unternehmen schrecken viele Jobsucher zurück. Bewerbungsexperte Jürgen Hesse gibt Entwarnung: Eine E-Mail hilft am Anfang oft sogar mehr. Seine Tipps für den angepeilten Jobwechsel ...

Hamburger Abendblatt: Herr Hesse, viele Menschen wünschen sich eine berufliche Veränderung, oft aus Unzufriedenheit. Welche Fragen sollte man sich in solch einer Orientierungsphase stellen?

Jürgen Hesse: Wenn Sie unzufrieden sind, lautet die erste Frage ja: Warum eigentlich? Die Haltung zum Job kann von Tag zu Tag schwanken - beobachten Sie Ihre Einstellung mal auf einer Skala von eins bis zehn: Sind Sie immer extrem unzufrieden oder gibt es auch Tage, an denen Ihnen die Arbeit mehr Spaß macht? Wenn Sie dabei zu dem Ergebnis kommen, dass Sie sich besser einen neuen Arbeitsplatz suchen sollten, dann bieten sich Initiativbewerbungen an. Überlegen Sie, wo Menschen gesucht werden, die über Ihre Fähigkeiten verfügen. Und gehen Sie dann aktiv auf Kundensuche.

Wie lang im Voraus sollte ich mich initiativ bewerben?

Hesse: So früh wie möglich. Es ist gut, sagen zu können: Ich würde gern für Ihr Unternehmen arbeiten - sollten Sie aber aktuell keinen freien Arbeitsplatz haben, dürfen Sie meine Unterlagen gerne aufheben. Interessante Bewerbungen werden durchaus auf Halde gelegt. Denn die Personaler wissen: Wenn man plötzlich jemanden mit speziellen Fähigkeiten braucht, kann es vorkommen, dass man niemanden findet.

Ein Beispiel: Ich habe meine Promotion abgeschlossen, will aber noch ein halbes Jahr auf Weltreise gehen: Wann bewerbe ich mich?

Hesse: Leider wecken Sie wahrscheinlich Neid, wenn Sie ganz offen sagen: Ich gebe jetzt meine Promotion ab, stehe wegen einer Weltreise aber erst ab 1. November zur Verfügung. Das würde ich nicht schreiben. Sie können ja per E-Mail erreichbar bleiben und Freunde bitten, Ihren Briefkasten im Auge zu behalten. Auch würde man Sie als Kandidaten nicht so ganz ernst nehmen. Sie würden ja auch nicht sagen: Ich mache jetzt erst mal eine Reha oder eine Entziehungskur. Dann würde jeder Personaler denken: Oh Gott, oh Gott! Mit anderen Worten: Ich würde nicht zu viel Einblick geben. Aber natürlich können Sie sich heute bewerben und sagen: Ich stehe Ihrem Unternehmen ab Herbst zur Verfügung - ohne das genauer zu erklären. Es könnte ja sein, dass Sie immer noch einen Nebenjob haben.

Wie gehe ich vor, wenn ich ein ganz bestimmtes Unternehmen als möglichen Arbeitgeber im Auge habe?

Hesse: Ungefähr so, als wollten Sie eine Bank überfallen. Beobachten Sie das Unternehmen und besorgen Sie sich alle verfügbaren Informationen. Schauen Sie zum Beispiel, welche Namen von Mitarbeitern im Internet auftauchen. Sie können dann versuchen, diese Leute über LinkedIn, Xing oder Facebook zu kontaktieren, um Ihr Wissen über das Unternehmen, seine Strukturen und Probleme zu erweitern. Sie müssen das allerdings sehr geschickt machen, weil das ja eine besondere Form der Annäherung ist: Es soll ja nicht wirken, als wollten Sie die Firma ausspionieren.

Wie nehme ich Kontakt zum Unternehmen auf? Muss ich unbedingt anrufen?

Hesse: Nein, es kommt meist sogar besser an, erst mal eine E-Mail zu schicken, die Interesse weckt. So bringen Sie den ersten Stein leichter ins Rollen. Wenn ich als Personaler eine gut geschriebene Mail erhalten würde und der Bewerber telefonisch nachhakt, würde ich mich ihm oder ihr am Telefon mindestens fünf Minuten widmen, anstatt gleich zu sagen: Hat keinen Sinn, interessiert uns nicht - so, wie man manchmal mit Leuten umgeht, die überraschend vor der Haustür stehen und fragen: "Haben Sie schon mal etwas von Jesus Christus gehört?" Nach einem erfolgreichen Telefonat ist es nicht mehr weit bis zum nächsten Schritt, bis jemand Sie bittet: "Kommen Sie doch mal vorbei." Die Unternehmen sind schließlich auch immer auf der Suche nach Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, die neue Ideen und Impulse liefern.

Mit wem sollte ich denn Kontakt aufnehmen - mit der Fach- oder der Personalabteilung?

Hesse: Angenommen, Sie sind promovierte Physikerin, relativ jung und haben etwas in einem Spezialgebiet erforscht. Dann ist es sinnvoll zu recherchieren: Wer bearbeitet dieses Thema, welche Abteilung ist zuständig? Zunächst sprechen Sie mit jemandem aus der Fachabteilung. Wenn Sie dessen Interesse geweckt haben, wenden Sie sich an den Personaler. Sie können sich dabei auf den Fachexperten beziehen - im Idealfall wird der sogar bei der Personalabteilung ein gutes Wort für Sie einlegen.