Gradlinig verlief Brigitte Behrens' Werdegang nicht. Sie probierte viel aus. Und ist angekommen: als Geschäftsführerin von Greenpeace.

Sie trägt schlichte Kleidung, spricht leise, der Händedruck ist sanft. Unterschätzt haben die Frau sicher schon viele. Fälschlicherweise. Brigitte Behrens, 61, steht als Geschäftsführerin von Greenpeace Deutschland an der Spitze der mächtigsten Umweltorganisation der Republik - seit 13 Jahren. "Das ist wohl Rekord in Deutschland", räumt die gebürtige Würzburgerin ein und relativiert: International seien andere ähnlich lange an der Spitze dabei.

Dass Behrens einmal in der Geschäftsführung landen würde, war nicht geplant. Aber sie sei "erzogen worden, Verantwortung zu übernehmen", sagt sie. Auch Selbstständigkeit und Disziplin seien ihr früh vermittelt worden. Wenn Behrens ihren Aufstieg beschreibt, klingt es manchmal, als ob es außer ihr einfach niemand machen wollte.

Vor Greenpeace verlief ihr Weg im Zickzack. "Nach dem Soziologiestudium in Hamburg 1979 hatte ich eine gute Ausbildung, aber keinen Beruf", sagt Behrens. Sie begann beim NDR, machte Filme über Kultur und den Skandal um die Chemiefabrik Stoltzenberg. Anschließend drehte sie bei der Firma Polymedia Schulungsfilme, arbeitete bei der Behörde für Arbeit, Jugend und Soziales, übernahm eine Redaktionsassistenz bei Gruner + Jahr für ein Lifestyle-Magazin, ging als Beraterin in ein Frauentherapiezentrum und probierte sich als selbstständige Fotografin. "Ohne diese Suche wäre ich nicht bei Greenpeace gelandet", sagt Behrens rückblickend. In dieser Zeit habe sie gelernt, sich in verschiedensten Bereichen zu bewähren.

Vorgezeichnet war die Laufbahn zur Ärztin, der Großvater Chirurg, auch die Mutter studierte Medizin. Acht Semester Medizinstudium in Würzburg absolvierte Behrens, bevor sie sich in Hamburg für Soziologie einschrieb. "Dass der Mensch im Krankenhaus als ein Etwas behandelt wurde, konnte ich nicht aushalten", sagt sie. Auch nicht die Unzulänglichkeit, etwas richten zu wollen, auf das man wenig Einfluss hat. Der Abbruch fiel ihr trotzdem schwer. "Es war auch ein Heraustreten aus dem Familienbild", sagt Brigitte Behrens.

Anfang der 70er in Würzburg lebt Behrens in Landkommunen. Ein lehrreiches soziales Experiment: "Ich konnte testen, wie in Gruppen gestaltet und gearbeitet wird." Später engagiert sie sich gegen den Bau des Kernkraftwerks Brokdorf und in Hamburg in der Frauenbewegung als Mitgründerin der Frauenkneipe an der Stresemannstraße.

"Das ist mein Grundstein für Greenpeace", sagt Behrens. Das Wissen um die Organisation eines Vereins mit Ehrenamtlichen helfen ihr später weiter. Was lange ausbleibt, egal was sie versucht, ist das Gefühl, angekommen zu sein. "Einen richtigen Traumberuf gab es nicht, ich wollte einfach ein interessantes Leben."

+++Die vier grossen Umweltschutzorganisationen+++

Dieses versprechen das damalige Motto von Greenpeace "Taten statt warten" und die mutigen Operationen der Aktivisten. Das Grundverständnis, entlehnt aus dem Quäkertum, gegen Unrecht aufzustehen und es öffentlich zu machen, selbst wenn es unabänderlich scheint, spornt sie bis heute an. 1985 bewarb sie sich bei der Umweltorganisation, die damals 17 bezahlte Mitarbeiter und zu wenig Geld für neue Stellen hatte. Ein Jahr später kam der Anruf, ob sie noch interessiert sei. Im Februar 1986 begann Behrens als Assistentin der Geschäftsführung in der Deutschlandzentrale. Greenpeace hatte kurz vorher stark an Bekanntheit gewonnen, durch den Bombenanschlag auf die Rainbow-Warrior in Neuseeland, dann durch die Aktionen entlang des Rheins gegen die Einleitung von Chemikalien. Das Spendenaufkommen stieg, Greenpeace wuchs.

Wie ihre Aufgaben aussehen sollten, wusste anfangs keiner genau. Doch im Erobern eigener Felder hatte Behrens Übung. Sie nutzte die Chance. Innerhalb einiger Monate baute sie eine Personalabteilung auf, dann wurde sie Personalreferentin. Auch sonst ergriff sie die Initiative. Der Aufsichtsrat beschloss eine Neustrukturierung, die dem gestiegenen Spendenvolumen entsprechen sollte. "Die Gründer hatten daran kein Interesse, also habe ich das übernommen", sagt sie schlicht.

Zusammen mit externen Beratern leitete sie das komplexe Vorhaben und übernahm 1988 die kommissarische Geschäftsführung. Parallel absolvierte sie einen Post-Graduierten-Lehrgang für das Management von Non-Profit-Organisationen. Als mit den neuen Strukturen die Geschäftsführung fest besetzt werden sollte, ging der Posten dann aber trotzdem an Thilo Bode. Man habe jemanden mit mehr Erfahrung in der Industrie gesucht, hieß es.

Enttäuschung oder Ärger? Behrens verneint: "Die Stelle war nicht mein sehnlichster Wunsch." Getroffen habe sie nur, dass man einer Frau zu der Zeit die Verantwortung nicht zutraute. Sie blieb trotzdem. Ab 1989 als Stellvertreterin von Bode. Und lernte in dieser Zeit viel von ihm. Er, der charismatische Selbstdarsteller. Sie, die unauffällige Organisatorin. Als nach Bode kurz aufeinander zwei glücklose Nachfolger an der Führung scheiterten, schien Veteranin Behrens 1999 die einzig mögliche Kandidatin, um wieder für Stabilität zu sorgen - und übernahm.

Seitdem lenkt sie Greenpeace durch Höhen und Tiefen. Ihre Leitlinie: seriöses und solides Arbeiten. Das erhalte die Glaubwürdigkeit - ohne die eine auf Spenden angewiesene Organisation nicht überlebensfähig ist. Dazu gehört auch die eigene Person. Sie hat kein Auto, keinen Fernseher. Sie konsumiert überlegt: so gut wie kein Fleisch und wenn, dann Bio. Ihre Lebensführung soll dem entsprechen, was sie predigt.

Unter Behrens stiegen die Spendeneinnahmen kontinuierlich und liegen heute bei gut 50 Millionen Euro. Der Erfolg selbst gehöre aber dem Team, betont sie. "Ich sehe keinen Sinn darin, mir hier einen besonderen Status zuzuschreiben."

Die wichtigere Messgröße sei die Wirkung der Kampagnen. "Wir haben 25 Jahre gegen die zivile Nutzung der Atomenergie gearbeitet", sagt Behrens. Dabei dürfe man nicht nachlassen, erst recht nicht bei Rückschlägen wie der Laufzeitverlängerung. Und dann hat plötzlich ein Ereignis wie die Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima das Tor geöffnet. "Wir haben die Politiker immer wieder an ihre Versprechen der ersten Stunden erinnert", sagt Behrens, die in dieser Zeit wiederholt zur Kanzlerin eingeladen wurde.

Auch an anderen Kampagnen arbeitet Greenpeace mitunter zehn oder mehr Jahre. "Ohne Beharrlichkeit und Motivation funktioniert so etwas nicht", sagt Behrens. Außer dem Atom-Ausstieg verbucht sie als großen Erfolg, dass Deutschland frei von Gentechnik ist. Aber nicht jede Kampagne brachte den erwünschten Erfolg - wie etwa die Anstrengungen um die Klimakonferenz in Kopenhagen im Jahr 2009. "Dann geht es darum die Leute zu motivieren, es weiter zu versuchen", sagt Behrens.

Mitte 2007 musste sie wegen Spendenrückgängen Mitarbeiter entlassen. "Das ist hart und intern auch sehr schwierig", sagt sie. Für den nötigen Rückhalt in der Belegschaft setzte sie auf Transparenz und respektvollen Umgang. "Wichtig ist es auch, in solch einer Phase selbstkritisch zu bleiben", sagt Behrens. Etwa wenn man sich über internen Widerstand ärgert: dann zu hinterfragen, ob der nicht einfach normal sei in so einer Situation.