Auf Bewertungsportalen loben und kritisieren Mitarbeiter und Ehemalige ihre Unternehmen. Jobsuchende können sich daran orientieren.

Was für ein Traumjob: "Es erwarten Sie ein positives Arbeitsumfeld, eine abwechslungsreiche Tätigkeit und attraktive Karrieremöglichkeiten." So steht es in der Stellenanzeige des Unternehmens. Doch wer den Namen der Firma in eine Internet-Suchmaschine eingibt, liest ganz andere Dinge.

In den Großraumbüros des Betriebs sei es "so laut wie auf dem Bahnhof", schreibt etwa ein Mitarbeiter auf der Arbeitgeber-Bewertungsplattform Kununu. Ein anderer warnt, dass Mobbing an der Tagesordnung sei. Und wie steht es um die versprochenen Karrierechancen? "Gibt es nur mit Vitamin B", lästert ein ehemaliger Mitarbeiter.

Schlechte Arbeitsbedingungen lassen sich nicht mehr leicht vertuschen. Dank Web 2.0 kann heute jeder Jobsuchende das Innenleben eines Betriebs studieren, bevor er sich bewirbt. Möglich machen das zum Beispiel Bewertungsplattformen wie Kununu: Dort reden Angestellte über ihren Arbeitgeber Tacheles - anonym. 129 000 Bewertungen zu 44 000 Firmen aus Deutschland sind derzeit online abrufbar.

Benotet wie Bücher - fünf Sterne bedeuten top, kein Stern Flop

Andere Arbeitgeberbewertungsportale heißen Jobvoting, MeinPraktikum oder Kelzen. Auf diesen Seiten werden Firmen benotet wie anderswo Bücher oder DVDs: Fünf Sterne - top, kein Stern - Flop. So erfahren Jobsuchende mit ein paar Klicks, wie es ist, für dieses Unternehmen zu arbeiten.

Bewerber schätzen die Transparenz natürlich. "Die verbreitete Einstellung ist: Ich will alle Informationen - und zwar sofort", sagt Constanze Buchheim, Gründerin der Personalagentur i-potentials. Sie hilft jungen Internetfirmen dabei, offene Stellen zu besetzen und spürt schon, wie sich der Wind auf dem Arbeitsmarkt dreht. "Kandidaten sind zunehmend in der Situation, sich den Arbeitgeber aussuchen zu können", sagt Buchheim. "Jeder vertraut einer persönlichen Einschätzung mehr als einem offiziellen Statement", sagt Robindro Ullah, Experte für Social Media bei der Deutschen Bahn. Das gelte für Produktrezensionen bei Amazon ebenso wie für Arbeitgeberbewertungen.

Zu den wenigen Firmen, die offensiv mit Netzbewertungen umgehen, gehört die Otto Group. Das Unternehmen präsentiert sich sogar mit Logo auf der Startseite von Kununu. "Über uns wird ohnehin online gesprochen, so können wir leichter mitreden", sagt Sonja Königsberg, Leiterin des Personalmarketing. Der Konzern lässt die Beurteilung durch die Online-Gemeinde nicht nur über sich ergehen, er fördert sie sogar: Kandidaten, die zum Bewerbungsgespräch nach Hamburg eingeladen werden, ermuntert das Unternehmen dazu, eine Bewertung zu schreiben.

Derzeit kommt Otto gut weg: Die Firma erhält bei Kununu im Schnitt 3,8 von 5 Punkten. Natürlich gibt es nicht nur Lob. Mehrere Ehemalige mokieren sich über "veraltete Strukturen". Personalmanagerin Sonja Königsberg nimmt es gelassen: "Das bleibt bei einem über 60 Jahre alten Unternehmen manchmal nicht aus - aber an dem Thema sind wir dran." Grundsätzlich nehme man jede Kritik ernst. Königsberg erwartet, dass Bewertungsplattformen künftig noch stärker genutzt werden.

Bei Kununu melden sich jeden Tag Firmen, die Einträge löschen wollen

So gut kommen allerdings nicht alle Firmen damit klar, von ihren Mitarbeitern an den virtuellen Pranger gestellt zu werden. Bei Kununu melden sich jeden Tag zwei bis drei Betriebe, die eine Bewertung löschen lassen wollen, sagt Sprecherin Tamara Frast. Meist haben die Beschwerden jedoch keinen Erfolg. "Wir verweisen dann auf die Möglichkeit, Feedback zu hinterlassen oder einen internen Bewertungsaufruf zu starten." Nur Beiträge, in denen Schimpfwörter fallen oder Vorgesetzte namentlich genannt werden, löscht Kununu.

Gegen schlechte Bewertungen juristisch vorzugehen ist schwierig. Auch im Netz gilt das Recht auf freie Meinungsäußerung - auch wenn die Kommentare anonym verfasst werden. Die Stimmen im Netz würden aber auch sonst nicht verstummen. Viele Bewerber nutzen mittlerweile auch ihre Netzwerke bei Facebook oder Twitter, um Mitarbeiter einer Firma zu finden, die bereit sind, Klartext zu reden.

Unternehmen, die ihre Mitarbeiter animieren, ihre Eindrücke online zu schildern, hoffen, so das klassische Leserbriefproblem - nur Unzufriedene melden sich - in den Griff zu bekommen. Experten halten diese Strategie für legitim, warnen aber davor, Druck auf Mitarbeiter auszuüben. Häufen sich Top-Bewertungen, steht die Firma als Blender da, das Negativimage verstärkt sich. "Es darf unter keinen Umständen eine Richtung vorgegeben werden", sagt Personaler Robindro Ullah.

Aufzuhalten ist der Trend zu mehr Transparenz nicht. Die Klugen werden versuchen mitzureden. "Man muss die Info-Zurückhaltung beenden", sagt Personalexpertin Constanze Buchheim. Sie kann sich vorstellen, dass in Zukunft unter einer Stellenanzeige die Twitter-Namen einiger Mitarbeiter der jeweiligen Abteilung stehen. Zu ihnen könnte der Jobsuchende dann vorab Kontakt aufnehmen - um herauszufinden, wie es sich dort wirklich arbeitet.