Firmen suchen Vertriebsingenieure mit Erfahrung. Da Fachkräfte rar sind, bauen die Unternehmen immer öfter Uniabsolventen intern auf.

Seine erste Geschäftsreise für den Maschinenbauer Kroenert hat Frank Schäfer in bester Erinnerung. Das Hamburger Unternehmen schickte den frischgebackenen Verkaufsleiter zum neuen Kunden nach Australien. Mit dem Großauftrag im Gepäck kam der Chemie-Ingenieur zurück. Das war vor zwölf Jahren, der Vertriebsingenieur ist bei Kroenert inzwischen vom Verkaufsleiter Asien zum Verkaufsdirektor Neue Produkte aufgestiegen. Noch immer ist Schäfer 70 bis 80 Tage im Jahr unterwegs: "Die Vielfältigkeit meines Aufgabengebietes und die weltweiten Reisen sind für mich das Salz in der Suppe."

Wer von der großen weiten Welt träumt, gern verhandelt und sich gut auf andere Menschen einstellen kann, hat als Ingenieur gute Chancen auf einen Job im technischen Vertrieb. "Der Anteil der Ingenieure, die im Vertrieb oder vertriebsnah in Unternehmensbereichen wie Produktmanagement, Marketing oder After-Sales-Service tätig sind, nimmt stetig zu", sagt Dieter Moll vom Verein Deutscher Ingenieure VDI. Besonders Automobilzulieferindustrie, Fahrzeugtechnik sowie Anlagen- und Maschinenbau suchen gute Verkäufer.

"Auffallend häufig werden Vertriebsingenieure derzeit auch von Dienstleistungsunternehmen nachgefragt, die technische, also erklärungsintensive Dienstleistungen anbieten", sagt Karriereexperte Moll. Rund 300 vertriebsnahe Positionen gibt es etwa bei Lufthansa Technik in Hamburg. Die Fliegerwerft bietet weltweit Reparatur- und Wartungsservice für Fluggesellschaften oder Regierungsflugzeuge an.

In Stellenanzeigen wünschen sich Arbeitgeber meist Vertriebsprofis mit Erfahrung und Verkaufserfolgen. Doch die sind rar, deshalb haben auch Berufsanfänger beste Chancen: "Die Unternehmen werben gute Leute zunehmend direkt von der Uni ab und sind bereit, sie selbst aufzubauen", sagt Susan Quoohs von der Personalberatung Salesjob. Bei Großunternehmen oder größeren Mittelständlern beginnt eine Vertriebskarriere oft mit einem Trainee-Programm oder einer Station im Vertriebsinnendienst, in Produktmarketing oder -entwicklung. Bei Kroenert durchläuft der Verkaufsnachwuchs ein halbes Jahr lang verschiedene Stationen, fährt mit auf Messen und zu Kunden oder legt bei einer Maschineninbetriebnahme selbst mit Hand an.

Aber auch der Direkteinstieg ist möglich. Bei Lufthansa Technik übernehmen Nachwuchsingenieure gleich nach dem Studium Vertriebsverantwortung. Außer dem klassischen Neukundengeschäft gibt es Positionen im Key Account Management zu besetzen. Jede Airline bekommt einen Ansprechpartner zugewiesen, der sie während der gesamten Vertragslaufzeit betreut.

Vertriebsingenieure müssen in der Regel keine Spezialisten für eine bestimmte Branche oder Technologie sein, sondern vor allem gute Grundlagen mitbringen. "Eine solide technische Ausbildung ist wichtig, um Lösungen für Kundenprobleme zu erkennen und zu gestalten", sagt Dieter Moll vom VDI.

Kaufmännisches Know-how aber ist sehr hilfreich. Als Türöffner zum Kunden müssen Vertriebsingenieure Vertragsverhandlungen führen, Angebote kontrollieren und die Wirtschaftlichkeit von Aufträgen beurteilen. "Im Auswahlprozess setzen sich oft die Wirtschaftsingenieure durch", sagt Peter Schürholz, Leiter Personalmarketing bei Lufthansa Technik in Hamburg.

Auch Frank Schäfer ist zweigleisig gefahren. Auf sein Ingenieursstudium an der FH Reutlingen hat er einen MBA mit der Vertiefung Internationales Marketing draufgesattelt. Für Jobs an der Schnittstelle zwischen Technik und Wirtschaft setzt sich das praxisorientierte, international ausgerichtete Management-Studium auch in Deutschland immer weiter durch: "Immer mehr Unternehmen fragen explizit danach", sagt Susan Quoohs von Salesjob. Für den Umgang mit internationalen Geschäftskunden kann das MBA-Studium also eine gute Vorbereitung sein. Dieter Moll vom VDI empfiehlt aber Programme mit einem klaren Fokus auf den Vertrieb, wie sie eine Handvoll Hochschulen in Deutschland anbieten (s. Kasten).

Die begehrte Kombination aus Technik und Wirtschaft, Sprachen und Soft Skills honorieren Arbeitgeber mit guten Gehältern. "Der Unterschied zwischen Vertriebs- und Fachkarriere ist bei den Ingenieuren zwar geringer als zum Beispiel in kaufmännischen Jobs", sagt Tim Böger, Leiter der Vergütungsberatung PersonalMarkt in Hamburg. Doch nicht zuletzt dank der Erfolgsprämien ziehen gute Verkäufer nach ein paar Jahren oft an ihren Kollegen in der Entwicklung oder im Projektmanagement vorbei. Insgesamt verdient jeder zweite Vertriebsingenieur mehr als 62 000 Euro, ein Viertel mehr als 75 000 Euro. Damit liegen sie an der Spitze der Gehaltstabelle - die große weite Welt gibt es gratis dazu.