Mit Ausbildung und Berufserfahrung können selbst Hauptschüler studieren. Bei vielen Betroffenen hapert es oft an Geld und Lerntechnik.

"Es sind oft die klassischen Spätzünder, die sich für ein Studium ohne Hochschulzugangsberechtigung interessieren", sagte Jutta Kast, Leiterin der Zentralen Studienberatung an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg. "Vielleicht hatten sie in der Schule keine Lust zu lernen und sind dann später im Beruf aufgewacht." Andere hätten aus finanziellen oder pragmatischen Gründen erst einmal "nur" eine Ausbildung gemacht. "Und merken dann, dass sie damit an Grenzen stoßen, was die Aufstiegschancen angeht", erklärt Kast.

Vom Job in die Hochschule - das ist auch politisch gewollt. Erklärtes Ziel des Hamburger Senats ist es, die "Durchlässigkeit der unterschiedlichen Bereiche von beruflicher und hochschulischer Bildung zu fördern". Der Mensch lernt lebenslang, die Hochschule profitiert von den berufserfahrenen Praktikern, die in die Hörsäle streben, so die Idee dahinter.

Entsprechend ist 2011 der Hochschulzugang für Menschen ohne Abi erleichtert worden. Wer eine sogenannte Fortbildungsprüfung bestanden hat - also zum Beispiel Handwerksmeister oder Fachwirt ist -, kann sich nun ohne Eignungstest an einer Uni oder Fachhochschule bewerben. "Sie durchlaufen dann das ganz normale Verfahren", sagt Kirsten Petersen, Leiterin des STUDIS-Studierendenservice an der Technischen Uni (TU) Harburg.

Die zweite Gruppe, für die ein Studium infrage kommt, sind Haupt- oder Realschüler mit Lehrabschluss, die anschließend drei Jahre in ihrem Beruf tätig waren. "Sie müssen allerdings eine Eingangsprüfung absolvieren, erklärt Petersen. Wie die aussieht, entscheiden die Hochschulen selbst. An der TU zum Beispiel müssen Interessenten zwei Aufsätze schreiben - über ihren Werdegang und ihre Motivation sowie über ein Thema aus ihrem Berufsfeld. Dann folge ein dreistündiger Test, in dem sie ihre technischen Kenntnisse belegen müssen. Gerade das ist oft ein Knackpunkt für Bewerber an der TU: "Sie unterschätzen den Anspruch eines technischen Studiums", sagt Petersen. Von den zehn bis 15 Studierwilligen, die vergangenes Jahr am Test der TU teilgenommen haben, habe "maximal die Hälfte" bestanden.

An der HAW haben 24 Studenten ohne (Fach-)Hochschulreife zum Wintersemester 2011/12 ihr Studium begonnen. "Das sind 1,1 Prozent aller Studienanfänger", sagt Jutta Kast. Schwierig werde es für diejenigen, die es schon länger nicht mehr gewohnt seien, zu lernen, sagt sie. "Und auch wer während des Studiums weiterarbeitet, hat es nicht leicht." Gerade das erste Studienjahr sei "die kritischste Phase, in der man sich die Grundlagenfächer draufschaffen und ein Netzwerk aufbauen muss", sagt Kast. Am größten seien die Erfolgschancen, wenn die Finanzierung für mindestens ein Jahr gesichert sei, ohne dass der Student arbeiten muss.

Wer die harte Zeit des Lernens und der finanziellen Einschränkung durchhalte, obwohl er schon einen höheren Lebensstil gewohnt sei, steigere auf jeden Fall seine Karrierechancen, sagt Sabine Schultz, Unternehmensberaterin und Inhaberin von Schultz & Partner in Hamburg. "Der Fachkräftemangel wird immer deutlicher, wir würden einen großen Fehler machen, wenn wir diese Gruppe außer Acht ließen."

Im Bewerbungsgespräch werde das Thema "kein Abi" natürlich vom Arbeitgeber angesprochen, sagt Schultz. Dann sollte der Bewerber offen den Grund dafür nennen. Zum Beispiel: "Ich war in dieser Zeit lieber auf dem Bolzplatz und habe erst später gemerkt, wie wichtig ein Hochschulabschluss ist." Wenn der Personalverantwortliche darauf nicht positiv reagiert, "dann soll es vielleicht einfach nicht sein", sagt Schultz. Sie selbst schätzt die engagierten Nachzügler. "Bei uns stehen sie hoch im Kurs."

Info-Seite der Behörde für Wissenschaft und Forschung: www.hamburg.de/studieren-ohne-abi