Kommunikationsexpertin Mira Amari erklärt, warum man bei Vorträgen ein Kopf-Kino in Gang setzen sollte

Die Rhetoriktrainerin konzentriert sich in ihrer Arbeit auf die Tücken der Kommunikation. Sie weiß, wie Redner verhindern, dass Zuhörer einschlafen.

Hamburger Abendblatt:

Was sind die Merkmale einer richtig guten Präsentation?

Mira Amari:

Das Wichtigste ist, dass da vorn ein Mensch steht, der authentisch ist. Und dass er sich Gedanken gemacht hat, wer seine Zuhörer sind. Eine Präsentation ist ja kein Selbstzweck, sondern sie will etwas - zum Beispiel, das Gegenüber für ein Thema oder ein Produkt zu interessieren, zu informieren, zu motivieren, zu überzeugen.

Sie sagen, authentisch muss man sein. Steht dem nicht oft Nervosität entgegen?

Amari:

Ganz oft sogar. Weil wir durch den Stress, den das Lampenfieber hervorruft, ganz anders wirken und unser Licht unter den Scheffel stellen. Um trotz Lampenfieber authentisch zu bleiben, gibt es Techniken. Wir müssen zum Beispiel Balance im Körper herstellen - über die Bodenhaftung, man steht mit beiden Beinen fest auf dem Grund. Auch Tiefenatmung ist wichtig. Dadurch kann man eine zentrierte Gelassenheit erreichen. Das lernen Sie zum Beispiel, in dem Sie eine Hand auf den Bauch legen und tief in die Hand einatmen. Außerdem hilft es, sein Gegenüber anzugucken. Sie stellen fest: Da sitzen keine bösen Säbelzahntiger, sondern Menschen. So reduziert man Stress.

Wie behält man die Aufmerksamkeit der Zuschauer während des Vortrags?

Amari:

Indem man sie überrascht. Wir würden ja auch keinen Krimi angucken, bei dem uns schon der Vorspann verrät, wer der Mörder ist. Was man sagt, muss neugierig machen auf mehr.

Was macht den spannenden Aufbau aus?

Amari:

Sagen Sie nicht "Ich werde Ihnen kurz etwas erzählen und hoffe, ich werde Sie nicht langweilen", sondern: "Ich will Ihnen über xy erzählen - und ich sage Ihnen etwas: Danach werden Sie mit den Ohren schlackern!" Spielen Sie dabei mit Melodie, Betonung und Lautstärke Ihrer Sätze. Am Ende muss man die Spannung noch einmal besonders hochziehen, zum Beispiel, indem man eine persönliche Brücke schlägt. Also nicht enden mit: "Man muss zukünftig mehr Fahrrad fahren", sondern mit "Fahren Sie zukünftig mehr Fahrrad, es ist Ihre Gesundheit. Danke." Und noch etwas: Der Redner selbst muss in Spannung sein. Wenn ich mit hängendem Kopf dastehe wie Charlie Brown, werde ich auch keine Spannung beim Zuhörer erzeugen.

Worauf achtet man bei der Sprache?

Amari:

Sie muss bildhaft sein, um Emotionen zu erzeugen. Wir trennen uns von den Hauptwortmonstern und nutzen mehr Verben. Und wir tun so, als ob: Wir erzählen über den Echtzustand. "Wenn Sie da zukünftig auf Ihrem Fahrrad sitzen, und Sie fahren durch Hamburg, werden Sie merken, dass die Fahrradwege unglaublich gut ausgebaut sind und es Ihnen immer leichter fallen wird, öfter mal Fahrrad zu fahren." Über aktive Sprache bringe ich mein Gegenüber in die Situation hinein. Das ist Kopf-Kino. Stellen Sie sich einmal vor, ich reiche Ihnen eine gesunde Zitrone, in der Mitte aufgeschnitten. Und Sie führen sie jetzt in Gedanken zu Ihren Lippen und beißen hinein ... Der Körper reagiert - Kopf-Kino.

Was macht man, wenn die Zuhörer anfangen unruhig zu werden?

Amari:

Man kann es direkt ansprechen. "Ich nehme wahr, dass Sie hier nicht mehr hundertprozentig aufmerksam sind, es ist mir wichtig, dass Sie alle aufmerksam sind." Das braucht natürlich Mut, vor allem, wenn auch Vorgesetzte im Publikum sitzen. Auch körpersprachlich gibt es Mittel. Man kann sich zum Beispiel aufrecht und fest hinstellen, die Menschen angucken und verharren. Freeze heißt das. Stillstehen in großer Aufmerksamkeit, aber nicht böse schauen. Dann wartet man darauf, dass man wieder die volle Aufmerksamkeit erhält - und macht weiter.