Die Leserfrage: Ich bin Verkäuferin in einer kleinen Boutique mit hochwertigen Waren. Während meiner Schicht ist Ware im Wert von 2000 Euro gestohlen worden. Meine Chefin verlangt, dass ich ihr den Verlust ersetze. Muss ich?

Das sagt Rechtsanwalt Rainer Stelling: Die Haftung des Arbeitnehmers für einen im Betrieb entstandenen Schaden kommt grundsätzlich nur in Betracht, wenn er seine arbeitsvertraglichen Pflichten schuldhaft, also vorsätzlich oder fahrlässig, verletzt hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts haftet der Arbeitnehmer bei leichtester Fahrlässigkeit gar nicht. Bei normaler Fahrlässigkeit hat er den Schaden anteilig zu tragen. Nur bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz haftet der Arbeitnehmer voll für den Schaden.

Im Arbeitsvertrag kann jedoch eine sogenannte Mankohaftung vereinbart werden. Als Manko bezeichnet man den Schaden, den ein Arbeitgeber dadurch erleidet, dass ein dem Arbeitnehmer anvertrauter Waren- oder Kassenbestand eine Fehlmenge bzw. einen Fehlbetrag aufweist. Dafür haftet der Arbeitnehmer, wenn für die Übernahme der Mankohaftung in bestimmter Höhe eine angemessene Mankovergütung vereinbart worden ist. Eine verschuldensunabhängige Garantiehaftung ohne Mankovergütung ist unzulässig.

Dass während Ihrer Schicht Ware abhandengekommen sein soll, rechtfertigt allein also noch nicht den Vorwurf einer Vertragsverletzung. Ihre Chefin müsste beweisen, wodurch Sie Ihre Aufsichtspflicht verletzt haben und dass der angebliche Diebstahl zu verhindern gewesen wäre. Das gilt nicht nur für den Anspruch auf Schadenersatz, sondern auch für eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses. In einer Firma mit nicht mehr als zehn Arbeitnehmern gibt es allerdings keinen Kündigungsschutz. Eine fristgemäße Kündigung wäre deshalb wohl möglich, auch wenn Sie kein Verschulden trifft.

Unser Autor Dr. Rainer Stelling ist Fachanwalt für Arbeitsrecht in Hamburg. www.rae-gleim.de