Berufsporträt Michael Bonacker ist Radiologe. Seine Aufnahmen vom Inneren des Körpers sind die Basis für die Therapie durch den Hausarzt

In drei Minuten laufen 323 Bilder der Lunge über den Bildschirm. Für Michael Bonacker tägliche Routine. Um einen Tumor in der Lunge oder die Sauerstoffverteilung im Gehirn zu bestimmen, verfolgt er hoch konzentriert bis zu 50 solcher Bildfilme täglich. "Viele Krankheiten lassen sich heute dank moderner Technik bereits im Frühstadium erkennen", sagt der 46-jährige Radiologe. Seit gut zehn Jahren arbeitet er in der Hanserad Radiologie in der Praxisklinik Bergedorf.

Ob Röntgen, Computertomografie (CT) oder Kernspintomografie (MRT) - je nach Vordiagnose und Patient nutzt Bonacker unterschiedliche Aufnahmetechniken für den Befund. Husten und hohes Fieber etwa können auf eine Lungenentzündung hindeuten. Bei Verdacht überweist der Hausarzt den Patienten zum Radiologen. Der fertigt Röntgenbilder an, begutachtet sie und schickt einen Bericht an den Hausarzt, der die Therapie verordnet.

Zu Bonacker werden die Patienten genauso vom Orthopäden wie vom Internisten, Gynäkologen oder Hals-Nasen-Ohren-Arzt geschickt. "Man muss die menschliche Anatomie vom Scheitel bis zur Sohle beherrschen", sagt der promovierte Mediziner. Ebenso die Krankheitsbilder und deren Symptome. Den Menschen komplett zu durchleuchten faszinierte ihn schon während seines Medizinstudiums. "Der detaillierte Einblick in den Körper ist einfach hoch spannend", sagt Bonacker.

Die Radiologie ist oft der wichtigste Baustein der Diagnose. "Stimmt sie nicht, stimmt auch die verordnete Therapie nicht", sagt Bonacker. Röntgen macht dabei nur noch einen kleinen Teil seines Jobs aus. Präzisere Befunde ermöglicht die Computertomografie. Dafür fährt der Untersuchungstisch samt dem Patienten in einen Ring mit der Röntgenvorrichtung. Die Röntgenröhre dreht sich dabei kontinuierlich um den Körper, wobei der Computer aus Hunderten von Schnittaufnahmen dreidimensionale Bilder errechnet. "Die naturgetreue Darstellung erleichtert insbesondere das Erkennen von Erkrankungen der inneren Organe", sagt Bonacker. Während beim Röntgen nur zwei, drei Bilder gemacht werden, sind es bei der Computertomografie mehrere Hundert Aufnahmen. "Die etwa auch die Streuung von Krebs in angrenzende Organe aufzeigen."

Noch detaillierter als die CT ist die Kernspintomografie. Damit lässt sich etwa ein frischer Infarkt als schwarzes Areal im Gehirn ausmachen, und auch kleinste Metastasen werden sichtbar. Statt mit Röntgenstrahlen arbeitet diese Technik mit Magnetfeldern und elektromagnetischen Impulsen "und verdrängt die Computertomografie zunehmend", sagt Bonacker. Seine eigene Domäne ist die MR-Mammografie, die elektromagnetische Schichtuntersuchung speziell für die Brüste.

Inzwischen nimmt die interventionelle Radiologie (Eingriffe unter Bildsteuerung) immer mehr Raum ein. So behandeln spezialisierte Kollegen von Bonacker mit Injektionen Bandscheibenvorfälle, während sie am Bildschirm verfolgen, wie die Nadel einsticht.

"Wir Radiologen sind sehr technik- und bildfixiert", sagt der Mediziner. Morgens sitzt er in der Praxis zuerst am Computer, um Aufnahmen vom Vortag zu kontrollieren. Später sieht er täglich etwa 40 Patienten die meisten davon nur einmal. Wird eine CT benötigt, plant er mit der Assistentin den Ablauf der Untersuchung und prüft, ob alle nötigen Informationen vorhanden sind. "Bei unklarer Fragestellung in der Überweisung etwa macht zuerst ein Gespräch mit dem Patienten Sinn." Zur Diagnose wiederum steht er nicht selten mit dem behandelnden Facharzt im Dialog. "Manchmal gehen die Urteile auseinander, dann wird der Befund diskutiert", sagt Michael Bonacker.

Im Krankenhaus, wo er vorher als Radiologe angestellt war, sei die Radiologie die Abteilung, die am stärksten interdisziplinär arbeitet. "Dort kommen alle anderen Fachärzte zusammen, um die Befunde zu besprechen." Von der Klinik in die Praxis wechselte er später auch wegen der humaneren Arbeitszeiten.Eines gilt jedoch für Klinik und Praxis gleichermaßen: Fachlich müssen Radiologen immer auf dem Laufenden sein. "Wissenschaft und Technik entwickeln sich schnell weiter, entsprechend viel Raum nimmt die Fortbildung ein."

Bei aller Technik gilt es jedoch den Blick fürs große Ganze zu bewahren: "Systemische Erkrankungen, die mehrere Organe befallen, lassen sich teilweise nur feststellen, wenn man auffällige Befunde korrekt kombiniert", sagt Bonacker. Dazu gehöre auch die Bereitschaft, sich in eine Diagnose hineinzuknien. Gerade bei komplizierten Fällen muss er fehlende Informationen aufspüren, weitere Laborbefunde anfordern und neue Untersuchungen veranlassen - bis am Ende alle Puzzleteile ein stimmiges Bild ergeben. "Um einen Verdacht zu bestätigen oder zu entkräften, braucht man manchmal fast schon detektivisches Gespür", sagt Bonacker.