Schnell in das Berufsleben einsteigen oder doch besser weiterstudieren? Welche Qualifikation die Karriere weiter voranbringt.

Der Ruf nach Fachkräften wird lauter. Mit der richtigen Qualifikation scheint eine erfolgreiche Karriere fast garantiert. Doch wie genau sieht diese Qualifikation für Akademiker aus? Bevorzugen Arbeitgeber den Gipfelstürmer, der im Schnelldurchlauf akademische Grade wie Bachelor, Master, vielleicht gar einen Doktortitel eingesammelt hat? Oder ist es sinnvoller, nach dem Bachelorabschluss erst einmal zügig in den Job einzusteigen?

Personalleiterin Sonja Königsberg von Otto blickt zwar interessiert auf akademische Stationen im Lebenslauf. Ebenso sehr achtet sie aber auf erste Berufserfahrung und die Persönlichkeit des Bewerbers. "Nicht die Tatsache, im Eiltempo akademische Grade erreicht zu haben, beeindruckt mich, sondern vielmehr interessante Projekte, vielleicht gar erste Führungserfahrung."

Dr. Tiemo Kracht sieht das ähnlich. Der Geschäftsführer der Kienbaum Executive Consultants in Hamburg berät renommierte Unternehmen bei der Auswahl von Fach- und Führungskräften und kennt die Ansprüche seiner Kunden. "Durch das reine Hintereinanderschalten der akademischen Abschlüsse Bachelor und Master ist zunächst noch kein Tag Berufserfahrung gewonnen - doch die macht sich in jeder Bewerbung gut." Kracht rät deshalb, Studium mit Praktika zu kombinieren, "auch um durch das Feedback aus der Praxis den Studenten schon früh ein Gefühl für ihren eigenen Marktwert zu geben und gegebenenfalls die Richtung korrigieren zu können".

Um in die Berufswelt hineinzuschnuppern, biete Zeitarbeit vielfältige Möglichkeiten, sagt Marcus Schulz, geschäftsführender Gesellschafter der Argo Group, einem weltweit operierenden Personaldienstleister mit Hauptsitz in Hamburg. Für ihn sind Studenten generell interessante Zeitarbeitskandidaten, egal ob sie ein technisches, betriebswirtschaftliches oder geisteswissenschaftliches Fach studieren. "Sie bringen gesuchte Qualifikationen mit und können deshalb durchaus mit anspruchsvollen Aufgaben rechnen." So könnten Studenten unterschiedliche Branchen erleben: Wie arbeitet es sich in einem Industriebetrieb, wie in einem Handelsunternehmen? "Zudem ist Zeitarbeit manchmal der erste Schritt zum festen Arbeitsplatz", sagt Schulz. "Denn natürlich testen umgekehrt auch die Unternehmer potenzielle Mitarbeiter. Zeitarbeit ist ein etabliertes Instrument des Recruitings."

Die Idee, nach dem Bachelorabschluss erst einmal ein Stück von der Welt zu erkunden, ist andererseits auch nicht schlecht. Denn Sprachkenntnisse und Auslandserfahrung sind genau wie Berufserfahrung relevante Faktoren im Lebenslauf. "Jedes Profil lässt sich durch zukunftsrelevante Sprachkenntnisse wie Spanisch, Russisch oder Chinesisch veredeln", sagt Tiemo Kracht. "Gefragt sind zunehmend globalisierungstaugliche Lebensläufe, die substanzielle Auslandserfahrungen aufweisen wie ein halbes Jahr Sprachaufenthalt in Shanghai oder ein MBA-Programm in den USA."

Sollte man also doch den Master anstreben, wenn es auf der Karriereleiter ganz nach oben gehen soll? "Genau das ist die erste Frage: Wo will ich hin?", erklärt Barbara von Sturm, Leiterin des CareerService an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW). "Wer sich beispielsweise in fünf Jahren mit Führungsverantwortung in einem international aufgestellten Unternehmen sieht, für den ist ein Masterabschluss sicher eine sinnvolle Option." Was jedoch nicht heiße, dass es ein Bachelorabsolvent nicht an die Spitze schaffe, betont sie. Zumal ein Masterprogramm auch nach einer Berufsphase besucht werden könne. "Eine solche Karriereentwicklung wird inzwischen oft vom Arbeitgeber unterstützt."

Tatsächlich begrüßen viele Unternehmen einen frühen Einstieg ins Berufsleben, bestätigt Tiemo Kracht von Kienbaum. "Schon weil berufsbegleitende Weiterqualifikation oft fester Bestandteil der Personalentwicklung ist. Unternehmer sehen darin ein Investment in die Person ihres Mitarbeiters, die zu gegenseitiger Loyalität führt." Weiterbildung als Instrument der Mitarbeiterbindung spiele in Zeiten des Fachkräftemangels eine immer größere Rolle, sagt der Experte.

Auch bei Otto: "Bei uns genießt der Bachelorabschluss ein hohes Ansehen", sagt Sonja Königsberg. "Erscheint im Rahmen der beruflichen Weiterentwicklung dann ein Masterstudium sinnvoll, unterstützen wir dies zeitlich und finanziell." Die Otto Gruppe unterhält mehrere Hochschul-Kooperationen. Gemeinsam mit der Leuphana Universität Lüneburg etwa wurde ein zweijähriges MBA-Programm entwickelt, das sich berufsbegleitend ausschließlich an den Führungskräftenachwuchs von Otto richtet. Weitere Kooperationen gibt es mit der HAW, der FH Wedel und der Zeppelin University in Friedrichshafen. "Ziel der Zusammenarbeit mit den Hochschulen ist aber nicht allein die Qualifikation unserer Mitarbeiter, sondern generell, Studenten die Möglichkeit zu bieten, Theorie und Praxis frühzeitig zu verknüpfen", sagt Königsberg. "Das erweitert den Erfahrungshorizont der Studenten, und wir erhalten wertvolle Impulse aus den Hochschulen."