Im richtigen Moment die passende Antwort zu finden gelingt nicht immer - es lässt sich aber trainieren

Berlin. Mal sind sie lustig gemeint, mal ironisch, mal gedankenlos und oft genug richtig bösartig - verbale Attacken kommen in den unterschiedlichsten Gewändern daher. Da ist die Kollegin, die behauptet, man hinterlasse den Schreibtisch immer unaufgeräumt. Da ist der Autofahrer, der einem nach einem komplizierten Einparkmanöver den Tipp gibt, sich nochmals bei der Fahrschule anzumelden. Und schließlich ist da auch der Chef, der einen Vorschlag mit den schlichten Worten "Das überzeugt mich nicht!" abschmettert.

Der Wunsch nach Schlagfertigkeit ist das Verlangen nach Revanche

Angemessene Antworten fallen einem oft erst im Nachhinein ein. "Im Grunde genommen ist das Verlangen nach Schlagfertigkeit das Verlangen nach einer Revanche", sagt Barbara Berckhan, Kommunikationstrainerin und Autorin. Viele Menschen würden sich nach einem verbalen Angriff schwach und hilflos fühlen. Wenn sie sich nicht gewehrt haben, dann lässt sie dieses Empfinden mitunter jahrelang nicht mehr los. "In meinen Seminaren sitzen Menschen, die können sogar Gesprächssituationen aus dem Jahr 1998 rekapitulieren."

Neue Reaktionen trainiert man am besten mit Freunden

Die Fähigkeit, im richtigen Moment die passende Antwort zu finden, lässt sich trainieren, so die einhellige Meinung von Kommunikationsexperten. "Zunächst einmal sollte man sich bewusst machen, welchen Menschen gegenüber man Sprachhemmungen hat und warum das so ist. Um die Hemmungen zu überwinden, empfiehlt es sich, neues Verhalten, neue Reaktionen zunächst mit Freunden zu trainieren oder vor dem Spiegel einzuüben", rät die Psychologin Andrea Boeber, die als Schlagfertigkeitstrainerin für das "Büro für Berufsstrategie" tätig ist. "Außerdem kann man mit vertrauten Personen den Umgang mit verbalen Angriffen einüben. Reaktionsmöglichkeiten, die häufig trainiert werden, sind im Denken präsent und jederzeit abrufbar."

Wer witzig reagieren will, braucht einen großen Wortschatz

Wichtige Voraussetzung, um schlagfertige und witzige Antworten geben zu können, sind nach Erfahrung der Psychologin ein großer Wortschatz, die Fähigkeit zu assoziativem Denken, Spontaneität und der Wille, unkonventionell zu reagieren. Doch leider liegt es in der Natur der Sache, dass einem gerade in aufgeladenen Situationen, in denen man verzweifelt nach geistreichen Sprüchen sucht, partout nichts einfallen will. "Wenn Wut, Ärger und Enttäuschung als Emotionen vorherrschen, ist eine angemessene Reaktion kaum möglich. Ein verbaler Gegenschlag kann nur gelingen, wenn man die Konzentration und seine Gedanken auf eine angemessene sprachliche Reaktion verwenden kann", sagt Boeber. "Bei der Schlagfertigkeit besteht die eigentliche Kunst darin, die verbale Äußerung des Gegenübers zwar als Angriff zu erkennen, sich aber nicht direkt angegriffen zu fühlen."

Mit zweisilbigen Antworten trifft man bereits eine Aussage

Als eine Art Erste-Hilfe-Taktik bei Sprüchen, die unter die Gürtellinie abzielen, empfiehlt Berckhan ihren Klienten, einfache zweisilbige Antworten zu geben wie beispielsweise "Ehrlich?" "Schau an!" "Na und?" "Eine einsilbige Antwort ist nur ein Laut, bei drei Silben trifft man bereits eine Aussage. Der Vorteil dieser Technik ist, dass auch schüchterne und wenig wortgewandte Menschen sie erfolgreich anwenden können", sagt die Kommunikationsexpertin. Eine weitere Überlebensstrategie in kommunikativen Extremsituationen ist die Rückfrage-Technik. "Wie haben Sie das gemeint?", "Worauf stützt sich Ihre Aussage?", hakt man dabei nach - und nimmt dem Angreifer dabei meist den Wind aus den Segeln. "Ein klassischer verbaler Gegenschlag ist das nicht", sagt Boeber. "Der Vorteil liegt allerdings darin, dass man seine Sprachblockade aufheben kann, dass man schlagfertig wirkt und sich auch ein wenig Zeit zum Überlegen verschafft."

Einfach klug zu schweigen ist oft die bessere Lösung

Schlagfertigkeitstechniken sollten nach Berckhans Meinung auch darauf abzielen, Gespräche auf eine sachliche Ebene zu bringen und den Konflikt zu entschärfen. "Es darf nicht darum gehen, sein Gegenüber fertigzumachen. Ich vergleiche Streitgespräche gerne mit Judo-Kämpfen, nach denen sich die Gegner schließlich mit einer Verbeugung voneinander verabschieden." Auf viele Gemeinheiten und Pöbeleien reagiere man ohnehin am elegantesten, indem man sie ignoriert. "Das Schweigen wird als Reaktionsmöglichkeit unterschätzt. Niemand ist gezwungen auf einen blöden Spruch einzugehen", sagt Berckhan. Oft sei es die bessere Lösung, einem sinnlosen Streit auszuweichen.