Ann-Marlene Henning berät in ihrer Eppendorfer Praxis Paare und Singles

Hamburg. Jeder kennt sie, niemand guckt sie. Angeblich. Pornofilme sind ein Tabuthema. Und typisch für den Umgang mit dem Thema Sexualität in unserer Gesellschaft. "Locker nehmen wir hierzulande freizügige Werbung und Musikvideos hin. Aber im Umgang mit ihrer eigenen Sexualität sind viele Menschen total verklemmt", sagt Ann-Marlene Henning.

Die 45-Jährige will Abhilfe schaffen. Henning ist Sexologin. Ein Beruf, für den es in Deutschland keine spezielle Ausbildung gibt, und der für manchen anrüchig klingt. In Dänemark hingegen, ihrem Heimatland, sei der Sexologe so bekannt und anerkannt wie der Beruf des Zahnarztes.

Sexologen beraten zum Thema Sexualität und Partnerschaft. Diese Aufgabe wird in Deutschland üblicherweise von Therapeuten übernommen. "Das ist für viele Menschen, vor allem Paare, schon eine echte Hemmschwelle", sagt Ann-Marlene Henning. "Die Scheu ist groß, weil manche sich gleich als psychisch kranker Patient fühlen." Henning begreift ihren Beruf mehr als Beraterin "für mutige Männer und kluge Frauen".

Der Bedarf sei gewaltig, behauptet sie. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bestätigt, dass die sexuelle Gesundheit ein wichtiger Bestandteil des körperlichen und mentalen Wohlbefindens jedes Individuums sei. "Viele sexuelle Funktionsstörungen sind darauf zurückzuführen, dass Menschen nicht wissen, wie sie mit dem Partner respektvoll umgehen und wie sie ihre Wünsche äußern sollen. Leute wissen nicht genug darüber, wie und warum Männer und Frauen anders ticken. Dabei ist das so einfach, wenn man es weiß", sagt Henning. Ihr Job ist es deshalb vor allem, aufzuklären, Vorurteile abzubauen und den Menschen ein erfülltes Liebesleben zu bescheren.

Ihre Praxis an der Geschwister-Scholl-Straße 18 in Eppendorf wirkt alles andere als klinisch steril. "Schuld abladen verboten" warnt ein Schild am Eingang. Eine rote Wand, Sessel, Sofa und Kerzenlicht sorgen für gemütliche Stimmung. So fällt es leichter, mit der gut gelaunten Sexologin über pikante persönliche Themen zu plaudern.

Die Hälfte ihrer Sitzungen verbringt sie mit Paaren. Bei den anderen 50 Prozent nehme der Anteil der Männer ständig zu, berichtet Henning. Sie vermittelt ihren Kunden, offen mit dem Thema Sexualität umzugehen, die Dinge beim Namen zu nennen und mit dem Partner darüber zu sprechen. Die Sexologin übt mit ihnen, wie sie ihre Wünsche und Vorlieben so formulieren können, dass der Partner weder verletzt ist noch sich bevormundet fühlt.

Ihren Beruf hat sie erst auf Umwegen gefunden. Bevor Ann-Marlene Henning 1985 nach Hamburg kam, studierte sie Jura in Dänemark. "Dann arbeitete ich ein Jahr lang als Buchhalterin bei der dänischen Sydbank und anschließend als Fotomodell." An der Universität Hamburg studierte sie sieben Jahre Neuro-Psychologie und war anschließend ein Jahr lang als Psychologin im Reha-Zentrum für Hirngeschädigte "Vejle Fjord" in Dänemark angestellt.

Danach besuchte sie das Kopenhagener Joan-Ørting-Institut für Sexologie. Im September 2008 wurde der Abschluss als Sexologin zertifiziert, ein Jahr später hatte Henning auch ihre Ausbildung zur Paar-Therapeutin abgeschlossen. Jetzt hilft sie Paaren, einander zu verstehen und ihrem Liebeslieben wieder frische Impulse zu geben.

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