“Partyfotos schießen kann jeder“, sagt Sonja. Die 20-Jährige wird Fotografin - und mag anspruchsvolle Aufgaben.

"Setze ein Klärwerk in Szene, das seine Einwohner zu geringerem Toilettenpapierverbrauch auffordert!" Das war Sonjas erste Prüfung in der Berufsschule Foto und Medien in Kiel. "So kreativ geht es im Alltag eines Fotografen leider nicht immer zu, aber mein Traumjob ist es trotzdem", sagt die 20-Jährige strahlend. Seit einem halben Jahr lernt sie die Kunst des Fotografierens bei der Internet Service Agentur (ISA) im Fotostudio in Barmbek.

Die Idee dazu kam ihr während eines Australien-Trips. "Um herauszufinden, was ich nach der Schule beruflich machen will, entschied ich mich, für einige Zeit in Down Under zu jobben", erzählt sie. Um ihren Freunden ihre Eindrücke später auch bildhaft präsentieren zu können, kaufte sie sich vor Abflug noch eine neue Kamera. "Ich habe viel Zeit damit verbracht, die Atmosphäre durch Perspektivenwechsel im Bild aufzufangen", erinnert sie sich. Ihre Leidenschaft war geboren.

In ihrer Ausbildung hat sich die Hamburgerin auf Produktfotografie spezialisiert: Pullover, Hosen und Jacken landen erst vor ihrer Linse und später auf den Homepages großer Modehäuser wie Bon Prix, Otto und Globetrotter. Was Sonia besonders an dieser Arbeit gefällt? "Pullis sind geduldig", sagt sie und grinst.

Die Vorgaben, wie ein Pulli liegen soll, bekommen die Fotografen bei ISA in der Regel von ihren Auftraggebern. "Die schreiben ganz genau, wie wir das Produkt in Szene setzen sollen", erzählt Sonia. Ihr überlassen bleibt, das Licht einzustellen und das beste Objektiv auszuwählen. Sonjas Arbeitsplatz wirkt chaotisch-kreativ, die hohen Wände in der Fabrikhalle sind schwarz gestrichen, zwischen Fotoausrüstung und Schaufensterpuppen türmen sich Kleiderberge. Das Team im Fotostudio ist jung. Außer drei Azubis arbeiten dort drei Festangestellte, die Älteste ist 28.

Zweimal pro Jahr besucht Sonia für sechs Wochen die Berufsschule Foto und Medien in Kiel. Dort steht neben Lichtsetzung und Bildgestaltung die Handhabung technischer Geräte auf dem eng gestrickten Stundenplan. "Viele wissen nicht, dass man zu Beginn der Ausbildung erst einmal Fachwissen pauken muss, bevor man selber kreativ werden darf", sagt Sonia. "Fotografie ist eben ein Handwerk." Das spiegelt sich auch in der Bezahlung, die im Vergleich zu anderen Ausbildungsberufen gering ist.

Ihren Überschuss an Kreativität lebt die Azubine in ihrer Freizeit aus. "Meine Freunde fragen schon immer, wann wir wieder Fotos machen", erzählt sie. Dann fährt sie zum Beispiel zum Güterbahnhof in Altona oder steigt auf Hausdächer, um ihre Freunde dort in Szene zu setzen. "Konventionelle Porträtfotografie mag ich gar nicht, die Fotos müssen immer etwas Besonderes sein", sagt sie. Darum habe sie sich bei ihrem Ausbildungsbetrieb bewusst gegen die vielen Fotostudios entschieden, die sich auf Bewerbungsfotos spezialisiert haben. Und noch etwas mag die 20-Jährige gar nicht: Partyfotos schießen. "So etwas kann ja jeder", meint sie. "Für ein gutes Foto aber brauchst du Zeit und kannst nicht einfach draufhalten und abdrücken."

In Zukunft, so glaubt Sonja, müsse sie sich vor allem gegen schwarze Schafe in der Branche behaupten. Viele würden ohne Ausbildung als Fotografen arbeiten. "Die haben ein-, zweimal eine Kamera in der Hand gehabt und schnappen uns die Jobs weg, weil sie für den Auftraggeber billiger sind", sagt sie. Sie selber hofft, nach ihrer Ausbildung mit ihrem Fachwissen punkten zu können. Vielleicht hängt sie dann auch noch ein Studium dran, zum Beispiel Kommunikations- oder Grafikdesign. Aber auch Bildjournalismus würde sie interessieren. Der Fototermin fürs Abendblatt kostete die sonst so extrovertierte Auszubildende übrigens Überwindung: "Ich stehe lieber hinter der Kamera!"

Lesen Sie am kommenden Wochenende: Ich werde ... Garten- und Landschaftsbauer. Dimitrij Reinhart lernt bei BFW Garten und Landschaftsbau.