In 20 Jahren fehlen Deutschland fünf Millionen Beschäftigte. Wie sichern sich Unternehmen das Know-how der Älteren? Wie integrieren sie den Nachwuchs? Strategien gegen die Demografiefalle.

Wenn bei der Sick AG ein Landesgeschäftsführer - zum Beispiel der schwedische - in Rente geht, sind seine Kollegen in den anderen Ländern gefordert. Sechs Monate lang verbringt dann beispielsweise der Chef der Schweizer Tochter wöchentlich zwei bis drei Tage bei seinem neuen Mitstreiter in Schweden. Mit diesem Wissenstransfer will der Weltmarktführer in der Sensortechnik sicherstellen, dass wertvolles Know-how weitergegeben wird. Auch am Stammsitz in Deutschland, wo Sick 3000 Mitarbeiter beschäftigt, hat sich diese Lösung bewährt. In altersgemischten Teams und in "Wissenstandems" profitieren die jüngeren, neuen Kollegen von der Kenntnis der Älteren. Umgekehrt wird von den Jungen neues Fach- und Methodenwissen eingebracht.

Trotz Wirtschafts- und Finanzkrise werden im Jahr 2030 in Deutschland laut einer Studie der Baseler Prognos AG bis zu 5,2 Millionen Arbeitskräfte fehlen. Vor allem Dienstleister und Gesundheitswesen sind betroffen, aber auch die Industrie. Gegensteuern können die Unternehmen nur mit einem vorausschauenden Demografiemanagement. Für jeden zweiten Personaler zählen die Themen Demografie und strategische Personalplanung heute zu den größten Herausforderungen in den kommenden drei Jahren, ergab eine Umfrage der Personalberatung Kienbaum. Ganz oben auf die Agenda hätten die Unternehmen das Gesundheitsmanagement gesetzt. "Bei einer alternden Gesellschaft ist es für den Arbeitgeber unabdingbar, das Personal nicht nur beruflich zu fördern, sondern auch gesundheitlich." Vier Beispiele zeigen, wie Unternehmen mit Gesundheitsmanagement, Lernpartnerschaften, Pflegezeiten und Angeboten für ältere Mitarbeiter Personalmangel vorbeugen.

"In nur zehn Jahren wird der Anteil der über 50-Jährigen bei uns deutlich steigen, deshalb müssen wir rechtzeitig gegensteuern", sagt Personalleiter Thomas Egenter vom Schwarzwälder Armaturen- und Brausenspezialisten Hansgrohe . Ergonomieschulungen, Ernährungsseminare, Rückenschule oder auch Lauftreffs gehören heute zu festen Bestandteilen des Projekts MUMM (Miteinander und motiviert mitmachen), um die Gesundheit zu fördern und Krankheiten vorzubeugen. Seit 2009 gewährt Hansgrohe den über 50-Jährigen zudem einen Anspruch auf eine Teilzeitstelle. Reduziert ein Mitarbeiter seine Arbeitszeit, bleibt die Betriebsrente unberührt. Das Engagement zahlt sich gleich zweifach aus. "Wenn wir für ältere Arbeitnehmer attraktiv sind, bindet das Mitarbeiter und hilft uns auch bei der Rekrutierung von Fachkräften", sagt Personalleiter Thomas Egenter.

Eine Meinung, die Bernd Richter teilt. Der Personalleiter des ostwestfälischen Industrieelektronikherstellers Phoenix Contact musste Überzeugungsarbeit bei der Geschäftsführung leisten, als er Investitionen für das Gesundheitsmanagement durchsetzen wollte. Heute zahlen sich die Ausgaben aus. Unterstützt von einem professionellen Gesundheitsdienstleister werden im firmeneigenen Gesundheitszentrum Bewegungs-, Herz-Kreislauf- und Entspannungstrainings sowie Ernährungsberatung angeboten. Für die Teilnehmer erarbeiten die Trainer ein individuelles Programm. Wer 80 Prozent seiner Termine wahrnimmt, bekommt vom Monatsbeitrag von 60 Euro je 25 Euro von der Krankenkasse und vom Arbeitgeber erstattet. Personalleiter Richter: "Die Teilnehmer sind im Schnitt drei Tage weniger krank als gleichaltrige Kollegen."

Die Lufthansa widmet sich dem Thema Pflege von Angehörigen. Laut Experten wird es schon 2020 bundesweit knapp drei Millionen Pflegbedürftige geben. Hält der Arbeitgeber dann den Pflegenden zumindest vorübergehend den Rücken frei, sichert er sich deren Loyalität und ihr Know-how. Bei der Lufthansa können sich Mitarbeiter über den auch für Kinderbetreuung zuständigen Familienservice kostenlose Unterstützung holen, etwa bei der Vermittlung vorübergehender Betreuung oder der Bearbeitung der Pflegestufenanträge. Eine Betriebsvereinbarung gewährt zudem den Anspruch auf eine einjährige, unbezahlte Auszeit. "Die kann auch beantragt werden, wenn es dem Unternehmen gerade nicht so behagt", sagt Monika Rühl, Leiterin Change Management und Diversity.

Schon früh setzt ein Projekt des Logistikdienstleisters TNT Express an. Alle 31 Niederlassungen sowie die Zentrale in Troisdorf sind mit benachbarten, weiterführenden Schulen sogenannte Lernpartnerschaften eingegangen. Nach Abstimmung mit den Lehrern konzipieren TNTler Unterrichtsreihen mit, erläutern dann zum Beispiel in Erdkunde den Aufbau von Logistiknetzwerken oder im Fach Wirtschaft die Funktionsweise von globalen Warenströmen. Darüber hinaus führen die Experten professionelle Bewerbungstrainings durch, veranstalten Tage der offenen Tür in den Niederlassungen oder organisieren gemeinsame soziale Projekte. Für Thomas Kraus, Vorsitzender der Geschäftsführung von TNT Express, sind die Lernpartnerschaften einer von vielen Bausteinen im Demografiemanagement, um "intern und extern als 'preferred employer' wahrgenommen zu werden".