Den Job verloren, ein Ziel verfehlt: Wer lernt, mit Niederlagen umzugehen, erkennt die Chance, die in ihnen steckt.

Die Angst vor dem Scheitern im Beruf plagt viele - sei es, dass man fürchtet, den erhofften Aufstieg nicht zu schaffen oder gar, gekündigt zu werden. Dabei bleibt kaum einer von beruflichen Umbruchsituationen verschont. "Auch wenn wir es in der Erfolgsgesellschaft gern verdrängen: Erfolg ist nicht selbstverständlich und Scheitern normal", meint Trainerin Doris Märtin. Und es gibt Strategien, damit gut umzugehen.

"Wer scheitern kann, hat mehr vom Leben", lautet gar die provozierende These der Philosophin Ute Lauterbach. "Je perfekter wir sein wollen und je höher wir die Messlatten hängen, umso sicherer peinigen uns Versagensängste. Da hilft dann nur resignieren oder intensives Abrackern. Was wäre die Alternative? "Ganz einfach: Wir schwenken um vom Arbeitserfolg zur Lebenserfüllung. Wir kultivieren die Bereitschaft zu scheitern und laden Entspannung ein."

Von dieser beneidenswerten Haltung ist Angelika M., der vor einen halben Jahr gekündigt worden ist, noch weit entfernt. Mehr als zehn Berufsjahre hatte sie sich als Abteilungsleiterin sehr mit ihrer Firma identifiziert, plötzlich blieb die Eingangstür für sie verschlossen.

Lange Zeit war es immer nur aufwärts gegangen. Ihr ausgeprägtes Bedürfnis nach Anerkennung wurde befriedigt. Solange die Zahlen stimmten, klappte es mit der Geschäftsführung. Im Übereifer für den Job vernachlässigte die heute 43-Jährige ihr Privatleben. Der Job war ihr Baby. Das ist ihr jetzt genommen worden. Scheitern schmerzt, beschämt und macht wütend. Eigentlich sollte sie jetzt Bewerbungen schreiben, telefonieren, Kontakte pflegen. Aber sie schafft es nicht. "Ich bin wie gelähmt." Ihr Hausarzt spricht von einer Depression.

Ein Jobverlust macht viele krank. So kommt die Sozialpädagogin Anne Kathrin Stich in einer Arbeit für die TU Berlin zum Ergebnis, dass es einen Teufelskreis gibt. "Zum einen sind Menschen, die kränker sind, eher von Arbeitslosigkeit bedroht als Gesunde. Zum anderen wird davon ausgegangen, dass Arbeitslosigkeit Krankheit bedingt - unter anderem durch finanzielle Unsicherheit und den Wegfall der Tagesstruktur", erklärt sie. Insgesamt zeigen sich die gesundheitlichen Folgen bei Männern drastischer als bei Frauen. Ein möglicher Grund ist, dass Frauen mit Lebenskrisen anders umgehen als Männer.

Eine Entwertungserfahrung könne von der Seele als höchst bedrohlich erlebt werden, betont auch der Berliner Psychotherapeut Bernd Sprenger. "Der Versuch, das Selbstwertgefühl aufrechtzuerhalten, wenn wir uns entwertet fühlen, geschieht daher in der Regel fast reflexhaft." In seinem Buch "Im Kern getroffen" schildert Sprenger, wie Menschen mit einem Jobverlust umgehen.

Häufig finde man die Abwehr einer Entwertungserfahrung: die Verleugnung. Der Gekündigte wird ganz schnell aktiv und sucht nach einer neuen Stelle. Sprenger: "Damit braucht er sich psychologisch nicht mit der Entwertungserfahrung aufzuhalten, dass seine bisherige Tätigkeit in der alten Form nicht mehr gebraucht wird."

Zweifelsohne gibt es Menschen, die Krisen besser meistern als andere. Ein resistentes Selbstwertgefühl scheint der Schlüssel zu sein. Die weitaus beste, weil verlässlichste Quelle liege in einem selbst, sagt Trainerin Doris Märtin. Vorausgesetzt, man akzeptiere sich selbst mit allen Begrenzungen. Dazu gehöre auch, sich selbst Fehler zu vergeben. "Ein starkes Selbstwertgefühl baut man durch starke Gedanken auf. Also den Blick auf positive Aspekte lenken, wenn das Hirn früh um drei grübelt", rät sie.

"Achten Sie darauf, dass die physischen Grundbedürfnisse angemessen befriedigt werden: Nahrungsaufnahme, Schlafen, Wärme, Bewegung, Wechsel von Aktivität und Ruhe", empfiehlt Bernd Sprenger. Um für sich sorgen zu können, müsse die Wahrnehmung des Körpers funktionieren. "Man braucht eine gewisse Disziplin, um den Signalen des Körpers in all der hektischen Reizüberflutung genug Aufmerksamkeit zu schenken."

Die Fähigkeit, nach Turbulenzen wieder Kontrolle zu bekommen, wird auch als Resilienz bezeichnet. "Resilienz heißt ganz und gar nicht 'immer stark' zu sein. In schweren Krisen sind Zusammenbruch, Verzweiflung und Desorientierung zeitweilig angemessen und sogar heilsam", sagt Trainerin Monika Gruhl. Sie ist davon überzeugt: Wer Krisen richtig verarbeitet, geht gestärkt daraus hervor.

Dauerhaft mit dem Schicksal zu hadern, sei der falsche Weg. "Menschen mit einer akzeptierenden Grundhaltung nutzen ihre mentale und emotionale Energie dafür, unabänderliche Gegebenheiten konstruktiv zu verarbeiten und in ihr Leben zu integrieren", sagt Gruhl. Eine berufliche Krise erschüttert weniger, wenn man weiß: Ich kann auch etwas anderes machen. Man sollte also immer einen Plan B haben. Auch für den Neubeginn gilt es, Hürden zu überwinden.

Davon kann das Journalisten-Ehepaar Marita Vollborn und Vlad Georgescu berichten, das Jobverlust und sozialen Abstieg erlebte. "Wir sind für die Zeit, die wir durchmachten, keineswegs dankbar. Sie hat uns wertvolle Jahre gekostet. Und sie hat uns am eigenen Leib erfahren lassen, wie weit verbreitet Arroganz und Vorurteile gegenüber Menschen ohne Arbeit sind." Dennoch sind sie der Auffassung: "Wer nicht wenigstens versucht, wieder aufzustehen, der hat den Boden unter seinen Füßen nicht verdient."