Unternehmensberater Lothar Gutjahr über Fehler von Projektleitern. Was Chefs auf Zeit falsch machen - und wie ihre Projekte besser laufen.

Hamburger Abendblatt: Herr Gutjahr, Sie kommen als Nothelfer zum Einsatz, wenn es in einem Projekt kriselt. Woran scheitern Projektleiter?

Lothar Gutjahr: An der Kommunikation - allerdings selten daran, dass zu wenig kommuniziert wird. Häufiger hapert es an der Qualität. Statistiken besagen, dass 80 Prozent der Projekte, die zu scheitern drohen, aufgrund falscher oder fehlender Kommunikation in die Krise kommen.

Abendblatt: Was sind weitere Gründe?

Gutjahr: Zum Beispiel gibt es Themen, die eigentlich nur von einer Person im Unternehmen gewollt sind. Und weil diese Person eine hierarchisch wichtige Funktion einnimmt, macht man ein Projekt daraus - obwohl eigentlich alle wissen, dass es Quatsch ist. Solche Projekte laufen schier endlos und haben meist kein Ergebnis.

Abendblatt: Welchen besonderen Herausforderungen sehen sich Projektleiter gegenüber?

Gutjahr: Die Rahmenbedingungen sind andere als in der Linie, weil Projekte ja per Definition auf Zeit angelegt sind. Häufig sind es Veränderungsprojekte, in denen es um Entwicklungen oder Bauvorhaben geht. Darum steckt ein anderer Zeitdruck dahinter. Außerdem haben Projektleiter formell ein anderes Verhältnis zu den Mitarbeitern. Sie sind Fachvorgesetzte, aber nur selten auch die disziplinarischen Vorgesetzten. Dadurch entstehen Schwierigkeiten - zum Beispiel, wenn der Projektleiter den Mitarbeiter Vollzeit braucht, der disziplinarische Vorgesetzte aber momentan nicht auf ihn verzichten kann oder will.

Abendblatt: Was müssen Projektleiter noch können, außer gut kommunizieren?

Gutjahr: Sie brauchen Fachwissen, soziale Kompetenz, müssen Konflikte entschärfen können, Menschen führen und motivieren. Und sie müssen wissen, was Projektmanagement eigentlich bedeutet, zum Beispiel die Phasen eines Projektes kennen - von der Definition der Aufgabe über die Planung bis zu Durchführung und Steuerung. Was sind Meilensteine, wie kalkuliere ich ein Budget, wie mache ich Risikomanagement? Wer sind die Stakeholder? Kein Mensch in einem technischen Beruf würde auf die Idee kommen, eine Maschine ohne gutes Handwerkszeug auseinanderzunehmen. Aber Projekte leiten, ohne zu wissen, welche Phasen und "To-do's" es gibt - auf die Idee kommen manche.

Abendblatt: Was sind klassische Stolpersteine?

Gutjahr: Drei Sachen. Erstens: Die meisten Projektleiter kommen aus einer Fachrolle, sind zum Beispiel Ingenieure. Nun sollen sie Leute führen, Ziele formulieren, in Sitzungen "herumhängen". Sich darauf einzustellen, ist nicht einfach. Zweiter Stolperstein: Ziele werden nicht klar formuliert. Je klarer ich selbst als Projektleiter bin, desto besser ist auch der Erfolg zu messen. Und es nützt auch dem, was man im Jargon SMA nennt - "safe my ass". Es kommt für Projektleiter natürlich auch darauf an, dass sie hinterher persönlich gut dastehen. Und drittens: Man muss darauf achten, dass die Machtunterstützung für das Projekt vorhanden ist. Diejenigen, die es befürworten, sollte man sichtbar einbinden, etwa im Kick-off. Interne Politik ist also auch wichtig. Das mag nicht jeder, aber wenn man Leiter eines Projekts von einer gewissen Bedeutung wird, muss man sich darauf einstellen.

Abendblatt: Was ist wichtig am Kick-off?

Gutjahr: Man muss den Beteiligten klar machen, was man von ihnen erwartet. In internationalen Projekten ist diese Rollenklarheit noch wichtiger. Die Projektmitglieder müssen zum Kick-off wirklich zusammenkommen - und nicht nur per Telefonkonferenz miteinander sprechen. Wenn der Projektmitarbeiter bei einer Firma in Indien sitzt, richtet er sich natürlich nicht nach den Prioritäten, die der Projektleiter in Deutschland gerne hätte, sondern nach denen, die ihm sein Vorgesetzter dort gibt. Darum muss man Beziehungsmanagement betreiben. Nicht per Telefon oder E-Mail! Man muss persönlich Kontakte aufbauen, halten und pflegen, herumreisen.

Abendblatt: Sind kulturelle Unterschiede so einflussreich?

Gutjahr: Ja. Unterschiedliche Kulturen können zu Erfolg oder Misserfolg eines Projekts führen. Ich habe mal jemanden gecoacht, der sagte, seine Firma habe Probleme mit englischen Zulieferern. Er erzählte, wie er mit seinem Vorgesetzten in Manchester gewesen sei. Ihnen wurde Tee angeboten, aber sein Chef habe abgelehnt - man habe noch drei weitere Gesprächspartner zu treffen. Da war natürlich gleich klar, was das Problem ist: In der englischen Kultur ist Smalltalk wichtig - was der typische Deutsche als "Blabla" ansieht.

Abendblatt: Man denkt sicher schnell mal, wir sind doch alles Ingenieure, wir sprechen eine Sprache oder?

Gutjahr: Ja, gerade Naturwissenschaftler. Ein Beispiel. Der Amerikaner ist der Projektleiter. Er macht mit großen Worten ein Kick-off. Der Deutsche sitzt da; will Details hören. Der Amerikaner gibt aber nur die allgemeine Linie vor. Er denkt: Wenn jemand eine Frage hat, kommt er zu mir. Doch der Deutsche arbeitet erst mal zwei Monate vor sich hin. Und der Amerikaner fragt sich, warum sich keiner bei ihm meldet. Man muss sich mit der Arbeitskultur anderer Nationalitäten befassen. Schließlich geht es darum, effektiv zu sein. Und in Frankreich zum Beispiel heißt das nicht, einfach nur die Tagesordnung durchzuziehen, sondern zusammen Mittagessen zu gehen und Smalltalk zu machen. Kultur ist ein enorm wichtiger Faktor in Projekten.